von Anne Knauer
Hallo neues Jahr, hallo neue Projekte! Praktisch, wenn da die Jahresprogramme 2013 der Fortbildungsinstitute pünktlich Anfang Januar im Briefkasten liegen.
Ein Horizont ohne Grenzen
„Schreibwerkstatt“ zum Beispiel ist eine zweitägige Fortbildung, die den Teilnehmern kreatives Schreiben und Geschichten Erzählen nahebringen soll. Doch was vielversprechend klingt, schluckt leider die eigene Medizin nicht.
Schon die Kundenstimmen zum Kurs im vergangenen Jahr auf dem Einband der Broschüre lassen stutzen: “Horizonte kennen keine Grenzen.” Lassen wir uns das mal auf der Zunge zergehen: Ein Horizont ist per Definition eine Grenze, nämlich die zwischen Himmel und Erde. Wie kann eine Grenze keine Grenze haben? Zugegeben, einen gewissen Grad an Kreativität braucht man für einen solch haarsträubenden Allgemeinplatz – da hat der Teilnehmer wohl besonders gut aufgepasst.
Der nächste Stolperer folgt: „Grundlage für das Erlernen aussagekräftiger Texte sind…“ Moment, der Kurs vermittelt das Erlernen von Texten? Ein Auswendiglernkurs soll die „Schreibwerkstatt“ aber sicherlich nicht sein.
Wer bis hierhin durchgehalten hat, wird zum Abschluss mit einem Bandwurmsatz belohnt: „Kreatives Schreiben unterstützt die wichtigste Fähigkeit, die uns die Kreativität beschert: Distanz zu gewinnen zu allem, was uns den Blick verstellt, Perspektivwechsel üben, Dingen sehen, die wir vorher nicht gesehen haben.“ Diesen Wortwust muss man ein paar Mal lesen, bis man die Aussage herausgearbeitet hat: Wenn ich kreativ schreibe, kann ich über den Tellerrand hinausschauen. Aber muss ich das nicht schon vorher tun, um überhaupt kreativ schreiben zu können? Spätestens an diesem Punkt dürfte der Leser restlos verwirrt sein – wenn er nicht schon längst das Weite gesucht hat.
Wenn der Text zum Störer wird
Ob anspruchsvoll oder unterhaltend, werbend oder informierend, für Fachpublikum oder die Massen, bei einem guten Text steht die Botschaft im Vordergrund. Fängt mein Leser an, über Formulierungen nachzudenken, ist meine Botschaft längst untergegangen. Ähnlich dem Vortragenden, der zwar Interessantes zu erzählen hat, dem aber alle nur auf die Petersilie zwischen den Zähnen starren, darf ein Text nicht von sich selbst ablenken, er darf nicht zum Störer werden. Im Gegenteil: Da ein Text nur wenige Sekunden Zeit hat, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen und zu halten, muss er die Botschaft auf einem Silbertablett präsentieren. Nichts vergrault einen Leser schneller als ein anstrengender Text – egal wie interessant die Botschaft ist.
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