Manchmal ist gerade das, was man nicht sieht, interessant. White Space nennen das die Designer; und meinen damit Flächen, die nicht bedruckt sind. Und weil unser Auge darauf getrimmt ist, Formen zu vervollständigen, kann man durch geschicktes „Nicht-Zeichnen“ dem Gehirn „vollständige“ Formen vortäuschen – so wie in dem „Missing“-Logo oben.
Etliche Logos bedienen sich dieses Effekts, so auch das Logo des Logistikkonzerns „FedEx“. Man erkennt den Kniff vielleicht nicht auf den ersten Blick. Aber hat man ihn einmal entdeckt, kann man ihn nicht mehr wegdenken. Der White Space zwischen den Buchstaben „E“ und „x“ bildet einen Pfeil – und der steht symbolisch für den Auftrag von FedEx: Transport.
Hier sind noch ein paar weitere Inspirationen:
Aber auch wenn Sie selbst nicht solche ausgefeilten Entwürfe erstellen; den Überraschungseffekt selbst erzielt man schon mit sehr einfachen Mitteln:
Wenn jeder kleinste Raum mit Information gefüllt ist, dann ist es unheimlich schwierig, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Wo zu viel Information aneinandergereiht steht, ohne Raum zum Atmen, hilft nur noch Schreien, um gesehen zu werden.
Besser ist es, den wirklich wichtigen Botschaften den nötigen Raum zur Entfaltung zu geben. Das wissen Designer, die White Space bewusst einsetzen, um die eigentliche Botschaft wirken zu lassen. Das wissen auch Rhetoriker, die ganz bewusst Pausen einsetzen, um die Dramatik einer Textpassage zu steigern. Und das wissen auch Musiker, die Pausen nicht zufällig, sondern ganz bewusst setzen, um der Melodie ihre Spannung zu geben.
John Cage, einer der einflussreichsten Komponisten experimenteller Musik des 20. Jahrhunderts, hat diese Erkenntnis auf die Spitze getrieben. Sein berühmtestes Werk, 4’33″ besteht aus drei Sätzen und jeder einzelne davon besteht aus genau einer Pause. Die Kontroversen nach der Uraufführung können Sie sich sicher noch heute bildlich vorstellen. Tatsächlich ist bis heute umstritten, ob die Musik in dem Stück eigentlich aus den Pausen besteht oder aus den Umgebungsgeräuschen, die auf einmal bewusst werden und in die Aufmerksamkeit rücken.
Vor einigen Jahren hat die BBC zum ersten Mal die Orchesterfassung dieses Werks aufgeführt. Auch wenn Sie es vielleicht etwas merkwürdig finden, ansehen lohnt sich:
Vor einigen Jahren machte Lawrence Lessig, amerikanischer Jurist und Bürgerrechtler, mit seiner ganz eigenen, furiosen Art der Präsentation auf sich selbst und seine Themen aufmerksam.
Die Vorträge des Jura-Professors bestachen einerseits durch eine perfekt durchchoreographierte Story, in der er sorgfältig seine Argumente aufbaute, um zu seiner zwingenden Schlussfolgerung zu kommen. Verblüffend war dabei andererseits, wie er das Medium PowerPoint einsetzte. Mit einigen hundert Folien pro Vortrag, jeweils mit nur einem oder wenigen Wörtern, zog er die Aufmerksamkeit der Zuhörer in seinen Bann. Was mit normalen Folien in einer hoffnungslosen Überforderung der Zuhörer enden würde, wird auf diese minimalistische Weise im Zusammenspiel mit seinem perfekt strukturierten roten Faden und seiner ruhigen Art zu einer faszinierenden Art des Vortrags.
In der Zwischenzeit wurde sein Stil vielfach kopiert und weiterentwickelt. Interessant fand ich den Vortrag von Grant Blakeman auf der TEDx-Veranstatlung in Boulder.
In nur drei Minuten bringt er seine Botschaft mit Lessigs Stil auf den Punkt. Die Zutaten:
1. Eine klare Botschaft
„Make use of your negative space“ – auf deutsch: nutzen Sie Ihre Auszeiten am Tag. Wer ständig in Action ist, von einem Projekt zum anderen hetzt, dabei viel zu oft auf allen möglichen Kommunikationsmedien unterbrochen wird und auch bei der „Ablenkung“ umgeben ist von einer schier unendlichen Flut von Medien, der braucht bewusst Auszeiten, um das alles verarbeiten und sinnvoll entscheiden zu können.
Blakeman nennt diese Auszeiten negative space; in Anlehnung an die Bedeutung dieses Begriffs in der Designwelt. Dort bezeichnet „negative space“ den – bewusst – nicht gestalteten Raum auf einer Fläche, durch den die eigentlich gestaltete Fläche erst ihre Bedeutung bekommt. Besonders interessant wird dieser „negative space“, wenn er selbst auch Bedeutung trägt, etwa indem er selbst eine gestaltete Form annimmt.
2. Eine gute Story
Anstatt mit einer Moralpredigt an das Gewissen seiner Zuhörer zu appellieren, entscheidet Blakeman sich dafür, eine Geschichte zu erzählen, die seine Botschaft optimal auf den Punkt bringt: nämlich die Geschichte eines typischen Tagsablaufs in seinem Job. Denn der ist geprägt von Ablenkungen und unzähligen Entscheidungen, die überwiegend unter viel zu vielen Entscheidungsmöglichkeiten getroffen werden wollen.
Und weil dieser Tagesablauf gar nicht so weit entfernt von dem ist, wie der Tag bei vielen seiner Zuhörer ablaufen dürfte, funktioniert diese Story so gut. Anstatt seine Argumente umständlich zu erklären, verstehen seine Zuhörer Blakemans Argumente intuitiv, weil sie sich in seinen Tagesablauf hineinversetzen können und ihn übersetzen können in ihren eigenen Tagesablauf. Show don’t tell nennt man das.
3. Passende Visualisierungen
Für seine Folien wählt Blakeman den Folienstil von Lawrence Lessig – allerdings nicht mit Wörtern, sondern mit Symbolen auf den Folien. Sie liefern genau den Kontext, den man braucht, um den Tagesablauf noch plastischer werden zu lassen, und – vor allem – um die Überflutung mit Entscheidungsmöglichkeiten transparent zu machen. Und wie bei Lessig, funktioniert das nur deswegen so gut, weil man dank des durchdachten roten Fadens ebendiesen nicht zu verlieren droht.