In meiner Schulzeit hatte ich einen Klassenkameraden, der sich mit äußerster Sorgfalt auf jede Klausur vorbereitete und dafür ganze Bücherberge wälzte. Ich kann mich an eine Klausur in Sozialwissenschaften erinnern, für die er nicht weniger als 10 Fachbücher zum Thema gelesen hatte. Wir Mitschüler staunten teils befremdet, teils ehrfürchtig. Es gab wohl nichts, was er zu diesem Thema nicht gewusst hätte.
Das Ergebnis seiner Klausur: mangelhaft, weil Thema verfehlt. Seine Bestürzung sehe ich noch heute vor Augen, doch der Lehrer erklärte ihm in aller Ruhe, warum es keine angemessene Bearbeitung der gestellten Aufgabe sei, einfach alles aufzuschreiben, was man über ein Thema wisse.
Mein Mitschüler hatte es versäumt, die Aufgabenstellung sorgfältig zu lesen und aus seinem gesammelten Wissen die relevanten Informationen herauszufiltern, auf die konkrete Fragestellung anzuwenden und nachvollziehbar aufzuschreiben. Irgendwo in seinen Ausführungen war sicher die richtige Antwort verborgen, doch es war nicht Aufgabe des Lehrers, sie zu suchen, sondern Aufgabe des Schülers, zu zeigen, dass er abstraktes Wissen in einem konkreten Kontext anwenden kann.
Auf gleiche Weise ist es nicht die Aufgabe Ihrer Zuhörer, in Ihrer Präsentation eine Botschaft oder eine Kernaussage zu suchen. Es ist im Gegenteil gerade Ihre wichtigste Aufgabe, Ihr gesammeltes Expertenwissen so einfach und verständlich wie möglich, und damit auch so knapp wie möglich, aufzubereiten, damit Ihre Botschaft glasklar hervortritt.
Saßen Sie schon einmal in einem Vortrag und haben sich gefragt: “Wen kümmert das?” Ich bin mir nicht sicher, ob jeder Vortragende auf diese Frage jederzeit eine zufriedenstellende Antwort wüsste.
Bei Prof. Donald Saari, Mathematiker und Wahlforscher an der University of California, ist das anders. Er hält seine Vorlesungen strikt nach dem Wen-kümmert-das-Prinzip.
In der ersten Vorlesung eines Semesters bietet Prof. Saari seinen Studenten an, zu jedem beliebigen Zeitpunkt während der Vorlesung ebendiese Frage zu stellen: “Wen kümmert das?” Er wird dann innehalten und erläutern, warum das gerade behandelte Thema wichtig ist und wie es in den größeren Zusammenhang der Vorlesung passt – wie abstrus oder unbedeutend es auch erscheinen mag.
Können Sie das auch für Ihre Vorträge? Und wenn nein, warum nicht?
[Quelle: What the Best College Teachers Do von Ken Bain]
Wissenschaftler haben zwei ganz große Sorgen: Vollständigkeit und Seriosität. Beides führt zu einem tiefen Misstrauen gegenüber modernen Präsentationsmethoden. Denn wenig Text auf den Folien bedeutet, dass man nicht alles aufschreiben kann, und eine visuell anspruchsvolle Darstellung, die statt auf Text auf anschauliche Abbildungen setzt, hat leicht den Anschein von “unseriösem Marktgeschrei”.
Dass es sich hier aber überhaupt nicht um Widersprüche handelt, macht der heutige Gastbeitrag von Patrick Peschlow sehr deutlich. Er steht unmittelbar vor seiner Promotion im Fach Informatik und beschäftigt sich mit komplexen Problemen der Simulation von Computernetzen. Dass er fachlich auf höchstem Niveau forscht, weiß ich noch aus gemeinsamen Tagen an der Universität Bonn. In seinen Vorträgen gelingt es ihm jedoch, selbst komplexe Themen einfach darzustellen, indem er die Folien gezielt als Hilfsmittel zur Veranschaulichung einsetzt – anstatt sich wie andere zum Sklaven voll beschriebener Folien zu machen.
Wie Patrick Peschlow den in der skeptischen Wissenschaftswelt mutigen Schritt zu klareren Präsentationen getan hat und welche Reaktionen er dabei erfahren hat, schildert er in seinem Artikel.
Weniger Ist Mehr
von Patrick Peschlow
Wir schreiben November 2000, mein drittes Semester an der Uni Bonn. Eine Woche noch bis zu meinem Vortrag beim Proseminar “Internetprotokolle”. Meine erste Präsentation mit Powerpoint. Doch bislang lächelt mich nur eine leere Folie an. Ein Einstieg muss her, und zwar bald.
Ich wähle schließlich einen Ansatz, den Sie vielleicht kennen: Orientiere Dich an dem, was Du kennst und was Dir gefällt. Denn bereits in meinem ersten Semester hatte ich in einer Vorlesung ein Foliendesign kennengelernt, das mir gut gefiel; mit bunten Elementen, einer übersichtlichen Anordnung und einer detaillierten Darstellung der Inhalte. Tatsächlich gefielen mir die Vorlesungsfolien sogar so gut, dass ich oft auf den Besuch der Vorlesung verzichtet und stattdessen lieber zu Hause die Folien studiert habe. Keine Frage: Die Folien meiner ersten Powerpoint-Präsentation sollten sich an diesen tollen Vorlesungsfolien orientieren.
Der Vortrag lief gut und ich war zufrieden – so zufrieden sogar, dass ich bei meinem nächsten Vortrag dasselbe Design erneut verwendete. Beim übernächsten Vortrag auch. Und dann erneut, und so weiter. Ob Seminar-, Praktikums-, Diplomarbeits- oder Promotionsvortrag, ob Projekt- oder Konferenzpräsentation, meine Vortragsvorbereitung war stets die gleiche: Die Folien vom letzten Vortrag nehmen, sie von den alten Inhalten befreien und mit neuen Inhalten füllen. Trotz der Vielzahl an Präsentationsgelegenheiten hielt ich also genau genommen jedes Mal den gleichen Vortrag, nur eben mit anderen Inhalten. Ob das Design der Vorlesungsfolien für meine Vorträge überhaupt geeignet war, darüber hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Aber sehen Sie selbst. Hier ist eine kleine aber repräsentative Auswahl von Folien aus meinen Präsentationen der Jahre 2000 bis 2007:
Als Leser dieses Blogs werden Sie vermutlich direkt bemerken: Auf den Folien ist zu viel Text! Und zu viel Text auf Folien bringt eine Reihe von Nachteilen mit sich. Vor allem zwei dieser Nachteile habe ich während meinen Präsentationen regelmäßig erfahren.
Ich habe mich gewissermaßen zum “Sklaven” meiner Folien gemacht, d.h. ich fühlte mich genötigt, alle auf den Folien erwähnten Punkte auch tatsächlich zu erläutern. Einfach zur nächsten Folie zu wechseln würde ja bedeuten, dass ich etwas ausgelassen hätte. Und wer möchte schon etwas Wichtiges in seinem Vortrag auslassen? Da es auf der Folie steht, muss es ja wichtig sein. Oder?
Ich habe ein ums andere Mal erlebt, dass die Zuhörer versuchen, gleichzeitig den Text auf meinen Folien zu lesen und mir zuzuhören. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich gut, dass man dabei aber in der Regel leider weder das eine noch das andere schafft.
Dennoch habe ich nie negatives Feedback zu einer meiner Präsentationen erhalten. Und wieso auch? Ich hatte stets ordentliche Folien vorbereitet, die ich dann gehalten habe. Es waren halt typische Powerpoint-Präsentationen, und was soll man von diesen schon erwarten?
Erst Anfang 2008 habe ich – in erster Linie dank diesem Blog, den Michael gerade gestartet hatte – zum ersten Mal bewusst über den Sinn und Zweck von Präsentationen nachgedacht. Schnell setzte sich eine wichtige Erkenntnis durch: Bei einer Präsentation besteht mein oberstes Ziel darin, den Zuhörern meine Botschaft erfolgreich zu vermitteln. Mein Vortrag soll es den Zuhörern so leicht wie möglich machen, diese Botschaft zu verstehen. Die Folien sind dabei nur ein Hilfsmittel, um den Vortrag zu unterstützen.
Diese Erkenntnis war für mich der Auslöser, mein Foliendesign zu ändern. Und zwar so, dass die Folien mich bei meinem Vortrag nicht mehr einschränken, geschweige denn mit mir um die Aufmerksamkeit meines Publikums konkurrieren würden. Ich entschied mich für eine Verschlankung meiner Folien anhand des Mottos “Weniger ist mehr”. Es sollte nur noch auf Folie kommen, was ich für meinen Vortrag auch tatsächlich benötige. Der Vortrag selbst sollte wieder im Mittelpunkt stehen. Sehen Sie hier eine Auswahl von Folien aus Präsentationen, die ich seit 2008 gehalten habe:
Bei einer Konferenzpräsentation im April 2008 ergab sich für mich die erste Gelegenheit zum Praxistest. Zusätzlich zu den schlankeren Folien wendete ich noch eine kleine Technik an, mit der ich mein Publikum vom ersten Moment an auf mein Thema fixieren wollte. Ich brachte einfach die Kernbotschaft meines Vortrags direkt auf die erste Folie:
Begonnen habe ich meine Präsentation mit den Worten: “Wenn Sie auch nur eine Sache aus meinem Vortrag mitnehmen, dann soll es diese hier sein.” Danach habe ich die Botschaft auf der Folie kurz erläutert. Erst anschließend begann ich meinen eigentlichen Vortrag über die konkreten Inhalte des Konferenzpapers. Auf der letzten Folie habe ich dann die Kernbotschaft erneut gezeigt.
Im Anschluss an die Präsentation erhielt ich unerwartetes Feedback. Einer der Zuhörer kam zu mir und lobte mich für die Klarheit der Darstellung, ein anderer wiederum bezeichnete meine erste Folie als “extrem effektiv”. Später erklärte mir ein weiterer Zuhörer sogar, dies sei eine der besten Präsentationen gewesen, die er in den letzten Jahren auf einer Konferenz gesehen hätte. Allein diese drei Reaktionen zeigten mir schon: Die Änderungen hatten sich gelohnt. Und dabei waren sie so einfach gewesen.
In dieser dreiteilligen Artikelserie gebe ich Tipps, Ihre bestehende Präsentation so zu verbessern, dass Ihr Publikum Ihre Botschaft versteht, Ihnen aufmerksam zuhört und sich die Kernaussage auch merkt.
Wenn Sie präsentieren, dann tun Sie das, damit Ihre Zuhörer Ihre Ideen besser verstehen, damit sie also nach der Präsentation schlauer sind als vorher. Wenn Sie diesen Artikel lesen, dann sind Sie vielleicht der Meinung, dass Ihnen das noch nicht optimal gelingt. Damit sich das ändert, stelle ich Ihnen einfach einmal ein paar Fragen:
Was genau sollen Ihre Zuhörer eigentlich nach Ihrer Präsentation besser verstanden haben?
Ich meine nicht, was sie alles im Einzelnen erfahren werden, sondern die ein oder zwei Kernaussagen, an die sie sich auch nach einer Woche noch erinnern sollen. Ich meine so etwas wie “Mit einem verstärkten Engagement in Social Media erreichen wir wichtige Multiplikatoren noch gezielter” anstatt all der Statistiken, die das belegen; oder “Mit dem ABC-Verfahren können wir den Stromverbrauch für unsere Maschinen um die Hälfte reduzieren” anstatt all den komplexen technischen Details des Verfahrens; oder “Die einhellige Meinung der Experten zu diesem Thema lautet: Lassen Sie die Finger davon” anstatt sämtlicher Zitate im Wortlaut.
Was also ist Ihre Kernbotschaft?
Wenn Sie das auf den Punkt bringen können, dann hat Ihre Präsentation damit im Grunde genau eine Aufgabe: Ihre Zuhörer von dieser Kernbotschaft zu überzeugen. Alles was Sie in Ihrer Präsentation sagen, dient im Idealfall dazu, Ihren Zuhörern den Zugang zu dieser Kernbotschaft zu erleichtern. Daraus ergibt sich unmittelbar die nächste Frage:
Welche Informationen benötigen Ihre Zuhörer, um die Kernbotschaft zu verstehen?
Ganz im Ernst: welche Informationen helfen Ihren Zuhörern wirklich, Ihre Schlussfolgerungen zu verstehen – und was ist möglicherweise nur schmückendes, gar überflüssiges, Beiwerk. Die Frage lautet ganz bewusst nicht: Was gibt es alles zu Ihrem Thema zu wissen? Das mag vielleicht für Sie als Experte interessant sein, vielleicht auch für Ihre Zuhörer, nachdem Sie von Ihrer Idee überzeugt sind. Aber Ihr Vortrag ist höchstwahrscheinlich nicht der Ort, Ihre Zuhörer mit Informationen zu überfluten, sondern ganz bewusst auszuwählen, was Ihrer Botschaft wirklich nützt. Also, jetzt mal ehrlich:
Welche Informationen benötigen Ihre Zuhörer wirklich, um die Kernbotschaft zu verstehen?
Gut, Sie haben sich also durchgerungen, alles Überflüssige über Bord zu werfen, auch wenn es schwer gefallen ist. Eine Frage aber hätte ich noch:
Was sind die (bis zu) drei wichtigsten Argumente, die zu Ihrer Kernaussage führen?
Selbst wenn Sie sich radikal beschränken, werden Sie immer noch eine Menge Wichtiges zu sagen und das sollten Sie strukturieren. Sicher nicht die einzige Möglichkeit, aber eine sehr übersichtliche und verständliche ist es, Ihre Inhalte in bis zu drei größeren Argumenten zusammen zu fassen. Damit können Sie eine einfache und nachvollziehbare Argumentationskette aufbauen, haben aber gleichzeitig genügend Spielraum für Spannungsbögen (um die es in der nächsten Woche geht).
Und wie kommen Sie nun von Ihrer bestehenden Präsentation dahin? Im Grunde reichen diese drei Schritten:
Löschen Sie alle Folien, die Ihre Zuhörer nicht unbedingt brauchen.
Löschen Sie nun alle Folieninhalte, die Ihre Zuhörer nicht unbedingt brauchen.
Gruppieren Sie die restlichen Informationen zu drei wesentlichen Argumenten.
Im Ernst, löschen Sie! Wenn Ihre Zuhörer die Informationen nicht unbedingt benötigen, warum belasten Sie sie dann damit und erschweren damit möglicherweise den Blick auf die wirklich wichtigen Informationen?
Bei größeren wissenschaftlichen Konferenzen finden in der Regel mehrere Vorträge parallel statt, um ein möglichst breites Themenspektrum abzudecken. Das bedeutet, dass sich die Besucher anhand des Programms und der Vortragstitel entscheiden müssen, welche Vorträge sie besuchen – und dabei auch das ein oder andere Mal eine schlechte Wahl treffen. In letzter Zeit kommt jedoch eine spannendere Methode in Mode: die One Minute Madness. Bei dieser Veranstaltung am Morgen eines jeden Tages, haben alle Vortragenden Gelegenheit, das Publikum in (ungefähr) einer Minute neugierig auf ihren Vortrag zu machen.
Vor kurzem erhielt ich einen Hilferuf für eine solche Veranstaltung, bei der es nur eine einzige Regel für die One Minute Madness gab:
Jede Präsentation dauert exakt 45 Sekunden und enthält genau eine Folie, die danach automatisch wechselt.
Grund des Hilferufs war diese offensichtlich ungeeignete Folie:
Die Folie wirkt ein bisschen, als versuche man, einen Film im Schnelldurchlauf zu schauen; alles Wichtige aus dem 30-minütigen Vortrag soll in die 45 Sekunden gepackt werden. Das ist hier jedoch schon alleine deswegen zum Scheitern verurteilt, weil man nicht den Hauch einer Chance hat, diese Inhalte in so kurzer Zeit überhaupt zu erfassen, geschweige denn zu verstehen (ganz abgesehen davon, dass man selbst bei starker Vergrößerung nicht einmal alle Inhalte entziffern kann).
Die gute Nachricht ist dabei: Wenn es möglich wäre, den Inhalt eines 30-minütigen Vortrags komprimiert in 45 Sekunden zu erzählen, dann wäre der Vortrag ja überflüssig. Daher gilt: in der One Minute Madness geht es einzig und alleine darum, Appetit zu machen auf den eigentlichen Vortrag und nicht darum, alles vorwegzunehmen. Genau drei Fragen sind also für die Zuhörer zu beantworten:
Interessiert mich das Thema? Wenn ja:
Wo und
wann findet der Vortrag statt?
Klar ist damit: die Folie muss Ort und Zeit enthalten. Außerdem wird ein Aufhänger benötigt, der Spannung für den eigentlichen Vortrag weckt. Mehr nicht. Also reduziert sich die Aufgabe darauf, eine spannende Frage zu finden, die die Zuhörer neugierig auf mehr macht – und eben nicht darauf, sämtliche Inhalte möglichst komprimiert zu verpacken.
In dem gegebenen Fall war eine Analogie recht schnell gefunden: „stille Post“ (engl. chinese whisper). Wenn man das in eine kleine Geschichte verpackt, sind die 45 Sekunden schnell gefüllt. Nämlich so:
1. Ausgangslage: Laut Programmheft sind heute Teilnehmer aus mindestens 18 verschiedenen Ländern anwesend. 2. Problem: Ich habe mich gefragt: Wie würde man in diesem Rahmen wohl „stille Post“ spielen? 3. Lösung: Irgendwie müsste man sicher eine gemeinsame Sprache finden, wahrscheinlich wäre das Englisch. 4. Übertragung: Wir haben ein ähnliches Problem, wenn wir eine Netzwerkverbindung zwischen zwei Rechnern über viele verschiedene Netze hinweg reservieren möchten. Leider gibt es hier keine Weltsprache „Englisch“. Deswegen haben wir das System „Harmony“ entwickelt, das eine Vielzahl existierender Netzwerkreservierungssysteme nahtlos miteinander verbindet. 5. Einladung Wenn Sie diese Sprache lernen möchten, lade ich Sie zu meinem Vortrag um 16:45 Uhr im Raum „Ford“ ein.
Visualisieren kann man das auf verschiedene Weise, z.B. rein typografisch:
Zu den größten Sorgen eines Wissenschaftlers zählt der Vorwurf, etwas nicht vollständig beschrieben zu haben. Bei der One Minute Madness geht es jedoch ganz bewusst um Unvollständigkeit und darum, bei den Zuhörern das Verlangen nach der vollständigen Informationen zu wecken. Und ja: das darf man ruhig „Werbung“ nennen.
Wenn man sich von etwas trennen muss, das man lieb gewonnen hat, dann ist das meist mit Wehmut verbunden. Ich habe mich neulich von meiner alten Gitarre getrennt, nachdem ich mir nach über 20 Jahren eine neue Konzertgitarre gekauft habe. Obwohl die neue Gitarre um Größenordnungen besser klingt, verband ich mit der alten Gitarre dennoch viele, viele Erinnerung. Ich weiß noch, wie stolz ich war, als ich auf dem Abschlusskonzert meiner Grundschulzeit spielen durfte. Aber irgendwann ist die Zeit für eine neue, eine bessere Gitarre einfach gekommen.
Manchmal muss man sich auch von guten Ideen trennen. Gute Ideen verfolgen wir am liebsten, auch beim Präsentieren. Wenn uns eine tolle Geschichte einfällt, dann denken wir ständig daran, wie wir diese Geschichte am besten in die Präsentation integrieren. Wenn wir eine tolle Folie gestaltet haben oder ein grandioses Foto gefunden haben oder eine richtig aufwendige Animation zur Erklärung eines komplexen Sachverhalts gebaut haben, dann feilen wir immer weiter daran und schauen uns das Ergebnis wieder und wieder an, weil uns die Idee einfach so gut gefällt.
Und dann kommt das große Aber… irgendwie ist die Sache noch nicht ganz rund. Vielleicht müssen wir doch noch ein bisschen mehr daran feilen; vielleicht müssen wir die Geschichte auch einfach an einer anderen Stelle erzählen; oder noch etwas am Übergang feilen… Aber solange wir auch feilen, das komische Bauchgefühl bleibt.
Vielleicht war ja die Idee doch nicht so großartig?
Manchmal muss man sich von Ideen trennen, die man lieb gewonnen hat. Das tut weh, schließlich haben wir enorm viel Zeit da hinein investiert. Aber wenn die Idee einfach nicht richtig in die Präsentation passt, dann ist die einzig richtige Wahl, sie beiseite zu legen. Vielleicht kommt ihr großer Auftritt ja später noch einmal, aber nicht jetzt und nicht in dieser Präsentation; denn die ist mit einer anderen Idee einfach noch viel besser geworden.
Um 9:00 Uhr Besprechung beim Chef, danach noch schnell das Angebot fertig schreiben. Nach dem Mittagessen – leider reicht die Zeit nur für ein Brötchen – Meeting mit den Kollegen vom Vertrieb, um die Vermarktung der neuen Produkte zu besprechen. Danach muss noch der Bericht zu den Qualitätsmängeln im letzten Produktupdate fertiggestellt werden. Morgen sieht’s nicht besser aus: Präsentation vor einem wichtigen Kunden.
Warum glauben Sie, dass dieser Kunde mehr Zeit hat als Sie? Tun Sie wirklich alles dafür, dass die Zeit, die er für Sie reserviert hat, optimal genutzt wird und geben Ihm genau die Informationen, die er benötigt; in einer Weise, in der er sie auch versteht?
Anders ausgedrückt: Warum sollte dieser Kunde 30 (oder 60 oder wieviel auch immer) Minuten seiner Zeit reservieren, um Ihnen zuzuhören?
Sie haben Ihren Vortrag gerade hinter sich gebracht und ein ziemlich gutes Gefühl. Das wär’ schon ’was, dieser Auftrag; den hätten Sie gerne. Das Problem: Sie sind nicht der einzige, dem das so geht. Also heißt es erst einmal: abwarten.
Eine Woche später: Der Kunde steht vor seiner Entscheidung. Vor ihm liegen die Namen aller sieben Bewerber um den Auftrag. Jetzt lautet die entscheidende Frage: Woran erinnert sich der Kunde in diesem Augenblick (zuerst)? Anders gefragt: Wie lautet der Satz, der bei ihm hängengeblieben sein soll, wenn er an Ihren Vortrag denkt? Können Sie das für Ihren Vortrag benennen?
Wenn nicht, dann sollten Sie sich schleunigst darüber klar werden, denn wenn Sie es nicht wissen, wie soll dann die richtige Botschaft bei Ihrem Kunden ankommen (außer vielleicht zufällig). Wenn doch, dann können Sie Ihre Präsentation an diesem Maßstab noch einmal kritisch prüfen (und auch nach der Meinung anderer fragen): Bringt Ihre Präsentation genau diese Botschaft herüber? Dient alles, was Sie sagen und wie Sie es sagen diesem einen Satz?
Wer den Erfolg seines Unternehmens nicht dem Zufall überlassen möchte, der muss vor allem auch Überblick über seine Finanzen haben. Ohne das Wissen über Unternehmenskennzahlen (z.B. zur Rentabilität) tappt man bei vielen Entscheidungen (z.B. in Preisverhandlungen) sehr leicht im Dunkeln und muss sich auf sein Bauchgefühl verlassen.
Eine Unternehmensberaterin schickte mir vor Weihnachten eine Präsentation, mit der sie Kleinunternehmern genau diesen Nutzen einer sorgfältigen Planung mit Unternehmenskennzahlen deutlich machen wollte. Ihre wichtigste Aussage war dabei: Schon mit ganz wenigen aussagekräftigen Kennzahlen erreicht man drastische Vorteile, während umgekehrt ein Übermaß an Kennzahlen auch Verwirrung stiften kann. In anderen Worten: Klasse statt Masse.
Diese Aussage verpackte sie in folgende Folie
und bat mich um Rat, da ihr Gefühl ihr sagte, dass ein Bild hier mehr helfen würde, als diese Textfolie, ihr jedoch nicht so recht ein passendes Bild einfallen wollte. Also überlegten wir gemeinsam, wie man die Folie überzeugender gestalten kann.
Zunächst einmal eine kleine Bestandsaufnahme: Der Balken auf der rechten Seite stiftet in dieser Darstellung mehr Verwirrung, als dass er für Übersicht sorgen würde. Er enthält vier(!) Überschriften zusätzlich zu der eigentlichen Folienüberschrift. Die Vielzahl hervorgehobener Elemente auf der Folie (fett, unterstrichen, farbig, farbig hinterlegt) sorgt dafür, dass das Auge nicht so recht weiß, wo es in welcher Reihenfolge hinblicken soll. Obwohl der eigentliche Inhalte im weißen Hauptteil der Folie steht, zieht der gelbe Kasten zu viel Aufmerksamkeit auf sich (und die beiden unwichtigsten Bestandteile oben und unten sind noch einmal extra hervorgehoben). Außerdem wirkt die Hervorhebung der Folienüberschrift durch Unterstreichen wenig professionell und die Schriftart „Times New Roman“ ist bei Beamerprojektionen in der Regel schwer lesbar. Zu guter letzt erzeugen die Einrückungen auf der Folie ein optisches Gefälle, bei dem man eher an „Abwärts“ als an „Erfolg“ denkt.
Wir entschieden uns am Ende dafür, diese Verwirrungen aufzulösen, indem wir allein die Aussage „Klasse statt Masse“ stehen ließen zusammen mit einem Bild, das ein Meer aus Blumen zeigt, aus dem eine einzige hervorsticht:
Die gelben Blumen sind in ihrer Vielzahl kaum zu unterscheiden. Sicher: auch hier gibt es ganz außergewöhnlich schöne Exemplare. Aber diese zu finden, kostet unglaublich viel Zeit. Viel schneller kommt man ans Ziel, wenn man sich von vorne herein auf einige wenige herausstechende Exemplare konzentriert, hier eben die rote Rose. Gestalterisch haben wir dann die Farben aus dem Bild im Text aufgenommen und die Größenverhälnisse so angepasst, dass das Wort „Klasse“ in etwa die Ausdehnung der roten Rose hat.
Guy Kawasaki, bekannt als Bestseller-Autor von Business-Büchern (aktuell: Reality Check), ist hauptberuflich Investor für Startup-Unternehmen. Als solcher hört er Unmengen sogenannter Pitches, das sind PowerPoint-Präsentationen mit dem Ziel, einen Auftrag oder eben eine Finanzspritze zu bekommen. Aber Guy hat ein Problem: 99% dieser PowerPoint-Präsentationen sind miserabel (Originalton: „99% of PowerPoint presentations suck“).
Um seinem Leiden ein Ende zu bereiten, hat sich Guy eine einfache Empfehlung zur Erstellung von Pitches ausgedacht, die 10-20-30-Regel:
nicht mehr als 10 Folien
nicht länger als 20 Minuten
mindestens 30pt-Schriftgröße
In seinem Buch The Art of the Start gibt er zusätzlich Empfehlungen für den konkreten Inhalt jeder dieser 10 Folien, (auch zu sehen im Video unten).
Regelmäßige Blog-Leser wissen, dass ich nicht viel von Dogmen halte (übrigens ganz im Vertrauen: was sich auf den ersten Blick radikal anhört, ist es in Wahrheit gar nicht. Eine Folie, die Sie mit einer 30pt-Schrift vollschreiben, enthält auch noch ganz schön viel Text.). Was man von dieser Regel letztlich lernen kann, ist in meinen Augen auch gar nicht so sehr eine strenge Präsentationsstruktur, sondern eine Botschaft, die durchaus Allgemeingültigkeit hat: „Überlege dir vorher, was du sagen möchtest, und bringe es – verdammt noch mal – auf den Punkt“.
Genau das macht Guy im folgenden Video an mehreren Beispielen deutlich: Wer mehr als eine Folie braucht, um sein Geschäftsmodell zu beschreiben, hat höchstwahrscheinlich gar keines. Wer zwanzig vollgeschriebene Folien mit 10pt-Schrift braucht, um sein Produkt zu beschreiben, wird nicht nur bei den Investoren, sondern höchstwahrscheinlich auch bei seinen Kunden einen schweren Stand haben zu erklären, warum sie dieses Produkt benötigen.