Wie Apple seine Produkte erklärt

Apples Keynotes dienen dazu, der Presse und den Bloggern im Publikum zu erklären, was sie über die neuen Produkte schreiben sollen. Natürlich nicht in Form eines Befehls, sondern indem Apple erklärt, wie die neuen Produkte funktionieren und warum sie genau so und nicht anders funktionieren.

So lenkt Apple mit jeder Keynote die öffentliche Diskussion über seine Produkte. Warum es damit erfolgreicher ist als andere Unternehmen, liegt u.a. an folgenden Gründen.

Apple hat einen Fokus

Über jedes Produkt gäbe es tausend Dinge zu sagen, dennoch konzentriert sich die Keynote auf wenige herausragende Eigenschaften. Beim iPhone 6S, das bis auf das Äußere komplett überarbeitet wurde, konzentrierte sich die Präsentation auf drei Dinge: den neuen druckempfindlichen Bildschirm (3DTouch genannt), stark verbesserte Kameras auf Vorder- und Rückseite sowie Live Fotos, die wie ein Mini-Video funktionieren. Diese drei Funktionen bilden den Fokus. Vieles weitere wird zwar erwähnt, aber nicht in den Vordergrund gerückt.

Der Fokus liegt auf Problemlösung

Jede Produkteigenschaft, die ausführlich vorgestellt wird, löst ein Problem, das die Menschen haben. Viele iPhone-Nutzer lieben z.B. ihre Kamera. Fotos zu machen gehört zu den wichtigsten Anliegen für iPhone-Nutzer. Deswegen haben diese Nutzer ein Interesse an besseren Bildern. Bessere Kameras in iPhones lösen ein Problem, das diese Menschen haben.

Nicht immer wissen die Menschen vorher, dass sie ein Problem haben. Dann erklärt Apple es. Der druckempfindliche Bildschirm löst das Problem, dass Menschen Aufgaben, die sie oft erledigen müssen, schneller erledigen möchten. Deswegen zeigt Apple ausführlich an vielen Beispielen, wie alltägliche Aufgaben durch die 3DTouch-Technologie schneller erledigt werden können. Wenn die Probleme echte Probleme sind, dann genügen diese Beispiele, um das Kopfkino in Gang zu setzen: „Stimmt, das hätte ich mir gewünscht, als ich … Und das kann ich gut gebrauchen, wenn ich …“ Der Sinn ergibt sich unmittelbar aus den alltagsnahen Beispielen.

Übrigens beschreibt Apple die Probleme, die es löst, umso ausführlicher, je weniger die Menschen sich des Problems bewusst sind. Als Steve Jobs das Ur-iPhone präsentierte, investierte er sehr viel Zeit darauf zu erläutern, warum Hardware-Keyboards ungeeignet sind. Die wenigsten Menschen konnten sich damals überhaupt ein Smartphone ohne feste Tastatur vorstellen.

Die Lösung wird technisch erklärt

schillerDeepTrenchIsolation
Apple gibt oft Hintergrundinformationen zur technischen Umsetzung seiner Lösungen. Marketingchef Phil Schiller erläuterte gestern zum Beispiel, wie die Nachteile eines 12-Megapixel-Sensors (u.a. der sog. „cross talk“ zwischen den Pixeln) für die neuen iPhones dank einer Technologie namens „deep trench isolation“ kompensiert werden können. Apple redet darüber nicht deswegen, weil es besonders stolz auf diese technische Lösung ist, sondern weil es möchte, dass die Käufer stolz auf ihr neues iPhone sind.

Und aus einem zweiten Grund. Apple möchte, dass diejenigen, die über die neuen iPhones sprechen, erklären können, warum die Geräte besser sind als andere Smartphones. Sie bilden das Publikum „gewissermaßen“ aus, damit sie die technischen Lösungen würdigen können. Deshalb sagt Schiller scherzhaft – und sicher nur scheinbar spontan:

„If you take one thing away today, you tell people you learned about deep trench isolation.“

Aber die Sprache ist einfach

Gleich im Anschluss schiebt Schiller allerdings nach:

„The reality is, we don’t need to know any of this. All we need to know is that we can take even better pictures with an iPhone 6S & 6S Plus.“

Apple erklärt die Dinge so einfach wie möglich. Es verwendet einfache Sprache und es gibt den Dingen einfache Namen, die möglichst bereits ausdrücken, was sie bedeuten: Live Fotos sind Fotos, die sich bewegen. Apple Pencil ist ein elektronischer Stift. iPad Pro ist das iPad für professionelle Nutzer.

Je einfacher die Sprache und je konkreter die Bilder in den Köpfen des Publikums werden, desto einfacher kann das Publikum selbst über die Produkte reden. Und das ist das Ziel der Keynote.

Die Menschen im Publikum sollen darüber reden und Apple möchte bestimmen, was und wie. Deshalb macht Apple es ihnen so einfach wie möglich. Es erklärt seine Produkte. Nicht mehr und nicht weniger.

[Fotos: Tim Cook und Phil Schiller bei der Apple-Keynote am 9.9.2015]

Let’s Talk: Was ist sinnvolle Kommunikation?

Heute zu Gast bei Let’s Talk: Clemens Meiß, Geschäftsführer bei Get The Point, einer Marketingagentur aus Köln, die sich auf die Positionierung von Unternehmen spezialisiert hat. Der Leitspruch von Get The Point lautet „Wir machen Sinn zur Marke“.

Wir haben uns darüber unterhalten, ob es so etwas wie sinnvolle Werbung gibt und was sinnvolle Kommunikation eigentlich ist. Wie kommt man auf sinnvolle Ideen? Was sind die Voraussetzungen dafür? Und: Tut das weh?

Weitere Links zu Let’s Talk

Folge 10 als MP3 herunterladen
Let’s Talk bei iTunes
Let’s Talk als Podcast abonnieren
Homepage von Let’s Talk

Wo sind die Profis?

Von Profis keine Spur … Stattdessen Halbwissen auf breiter Flur.

Kostet viel Geld: Hochglanz-Imagebroschüre, repräsentativer Messestand, schicke Webseite. Keine Frage, oder? Da müssen Profis ran.

Doch das Gesicht vieler Unternehmen sind die Mitarbeiter und deren Auftreten in Meetings und Präsentationen. Was tun Sie eigentlich dafür, dass dieses Gesicht Ihr bestes ist?

Die Antwort in den meisten Fällen: ”Ich hab’ da mal ’ne Präsentation vorbereitet.“ Von Profis? Keine Spur!

Das PowerPoint-Template vom Azubi zusammengeschustert. Die Folien von der Sekretärin gezimmert oder von den Kollegen geklaut. Die Story vom … äh, die was?

Wann beginnen Sie, das Medium, das Ihre Kunden am häufigsten von Ihnen zu Gesicht bekommen, das Medium, bei dem Sie so lange die exklusive Aufmerksamkeit Ihrer Kunden bekommen, wie nirgends sonst, von Profis entwickeln zu lassen?

Verwandte Artikel

Neue Wege
Es wird unbequem
Was Hänschen nicht lernt …
30 Minuten Stille in Meetings

Über Verantwortung

Seth Godin in seinem Marketing-Blog über Verantwortung:

“Let’s assert that marketing works. The money and time and effort we put into marketing goods and services actually works. It gets people to change their minds. It cajoles some people into buying and using and voting for things that they otherwise wouldn’t have chosen. (If it doesn’t work, save your money). If it works, then, are you responsible for what happens after that? If you market cigarettes aggressively, are you responsible for people dying of lung cancer?”

Nehmen wir an, Ihre Präsentation funktioniert. Sie überzeugen die Menschen wirklich von Ihren Inhalten. Sind Sie dann verantwortlich dafür, was danach passiert?

Wenn Sie Seth Godins Blog nicht regelmäßig lesen, sollten Sie das vielleicht noch einmal überdenken. Ein paar Beiträge aus der letzten Zeit, die für Ihre Präsentationen relevant sind: Üben ist etwas für Feiglinge, Der Mythos der Vorbereitung, Vergiss’ die Farben nicht und viele mehr …

Verwandte Artikel
Diesmal kannst du mir wirklich glauben
Wachrütteln ohne zu schocken
Das Wen-kümmert-das-Prinzip

Vier Blogs für den Urlaub

Es ist mal wieder soweit: ich freue mich auf eine Woche, in der ich abschalten, entspannen und neue Kräfte tanken kann; eine Woche, in der nur meine Familie wichtig ist und in der hier Stille herrschen wird. Um die Zeit zu überbrücken, habe ich wieder ein paar Blog-Empfehlungen zusammengestellt, von denen diesmal nur die erste einen unmittelbaren Bezug zum Thema Präsentation hat. Oft genug liefern aber auch die drei übrigen Empfehlungen wertvolle Anregungen für die eigenen Präsentationen.

Die neuseeländische Trainerin Olivia Mitchell hat Anfang des Jahres für ein wenig Aufsehen gesorgt, als sie ihre ausführliche Umfrage zu den Präsentationstrends für 2009 unter zahlreichen englischsprachigen Präsentationsblogs präsentierte; ich habe seinerzeit darüber berichtet. Ihr Blog ist aber auch unabhängig davon eine schöne Inspirationsquelle, in dem sie unterschiedliche Aspekte der (PowerPoint-)Präsentation betrachtet und viele kleine Ratschläge gut auf den Punkt bringt.

Seth Godin ist seit Jahren eine der schillerndsten Figuren im Marketingbereich. Schon sehr früh hat er darauf hingewiesen, dass die Zeiten der traditionellen Werbung, in denen man mit viel Geld die Aufmerksamkeit der Kunden, z.B. im Fernsehen, einfach kaufen konnte, vorbei sind. Stattdessen predigt er das Permission Marketing, also die Konzentration auf diejenige Zielgruppe, die von den Produkten erfahren möchte. Wie macht man das? Man braucht hervorragende Produkte („purple cow“), über die man oft, kompetent und nutzbringend spricht, z.B. in Blogs oder Präsentationen. In seinem Blog, schreibt Seth Godin über diese und angrenzende Themen in seinem typischen, oft provokanten und meist tiefgründigen Stil.

Blog

Der information-aesthetics-Blog von Andrew Vande Moere ist schon länger eine meiner beliebtesten Inspirationsquellen für Datenvisualisierungen aller Art. Atemberaubend ist die Frequenz, mit der Vande Moere immer wieder erstaunliche Projekte, Webseiten und Videos ausgräbt, die auf innovative Weise bekannte wie weniger bekannte Zusammenhänge visuell darstellen. Der Blog ist mittlerweile zu einer riesigen Fundgrube mit Hunderten von Beispielen spannender Visualisierungen angewachsen.

TED-Blog

Dass ich die TED-Talks als Pflichtlektüre für jeden halte, der sich ernsthaft mit dem Thema Präsentieren auseinandersetzen möchte, habe ich in der Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht. Nicht nur wegen der vielen hervorragenden Beispiele für außergewöhnliche Präsentationen, sondern auch wegen der faszinierenden Themen, die dort in einer ungeheueren Fülle präsentiert werden. Der TED-Blog informiert über die neuesten TED-Talks, die die Webseite zum Download anbietet, liefert aber auch zahlreiche Hintergrundinformationen in Form von Interviews und Hinweisen auf weitere spannende Quellen zu den behandelten Themen.

Präsentieren in Zeiten der Krise

Ob es in Krisenzeiten sinnvoll sei, Marketing zu verstärken oder zu verringern, wurde ich im Rahmen einer Blog-Diskussion von Designer Det Müller gefragt, der mir dieses sog. Stöckchen „zuwarf“. Präsentationen sind ja in aller Regel auch irgendwie Marketing, also was bedeutet das nun für Präsentationen?

Klar ist jedenfalls, dass es nie wichtiger ist als in Krisenzeiten, überzeugend auf den Punkt bringen zu können, warum ein Kunde gerade mir sein Vertrauen schenken sollte. Und was könnte verheerender sein, als sich hinter schwachen PowerPoint-Folien zu verstecken, die die Zuhörer schon nach der ersten Folie in den Schlaf schicken. Gefragt ist umgekehrt aber auch kein Blendwerk, das als reines Entertainment die Kunden letztlich hinters Licht führt, denn gerade jetzt wird genauer hingeschaut und stärker hinterfragt als sonst.

Was zählt, ist vielmehr, mit Kompetenz zu überzeugen und die (echten) Vorteile so zu präsentieren, dass sie verstanden werden und sich einprägen. Der bekannte amerikanische Marketing-Experte Seth Godin spricht in diesem Zusammenhang gerne von der purple cow und meint damit ein „bemerkenswertes“ Produkt. Es interessiert die Kunden nämlich nicht, einen durchschnittlichen Vortrag über ein durchschnittliches Produkt zu hören, sondern eine tolle Präsentation über ein bemerkenswertes Produkt.

Als Schlussfolgerung könnte man daraus ziehen: wer kein Produkt hat, über das es sich zu sprechen lohnt, der sollte vielleicht erst einmal seine Hausaufgaben machen. Für alle anderen lohnt es sich gerade jetzt, darüber nachzudenken, wie man über seine bemerkenswerten Produkte auch einprägsam und überzeugend spricht.

PS: Im Rahmen der Blog-Diskussion gebe ich das Blog-Stöcken an meine Blog-Kollegen Heide Liebmann, Stefano Picco und Matthias Schwenk weiter und bin gespannt auf ihre Meinung zu dem Thema.

Verwandte Artikel
Ein Menü aus Ideen
Ein unfairer Vorteil?
7 Jahre „Really Bad PowerPoint“

Spread the Word

Picture of Dr. Michael Gerharz

Dr. Michael Gerharz