Sprechen Sie Geheimsprache?

Überzeugend Präsentieren: Sprechen Sie Geheimsprache?Haben Sie schon mal im echten Leben das Wort “fernmündlich” benutzt, wenn Sie eigentlich telefonisch meinten? Oder “Augengläser”, wenn Sie Brille meinten? Oder “Wertzeichnung”, wenn Sie Briefmarke meinten? Nein? Ich auch nicht. Behörden hingegen machen das täglich.

Das wäre nicht schlimm, wenn sie das nur untereinander machen würden. Aber auch wenn sie mit uns Bürgern sprechen, tun sie dies oft in ihrer internen Sprache und denken nicht daran, dass nicht jeder diese Sprache versteht. Das gleiche kann man beispielsweise bei ITlern, Ärzten oder Marketingexperten beobachten, die sich oft hinter ihrer Geheimsprache verstecken und damit an ihrer Zielgruppe vorbeikommunizieren.

Kommunikation auf britisch

Das geht auch anders. Die britische Regierung hat den Kampf gegen unverständlichen Bürokratensprech aufgenommen. Im Oktober 2012 startete sie ihre neue offizielle Webseite gov.uk, die konsequent auf klare und verständliche Sprache setzt.

Die Logik dahinter:

“GOV.UK is focused on the needs of users, not the needs of government. It has been planned, written, organised and designed around what users need to get done, not around the ways government want them to do it – providing only the content they need and nothing superfluous.”

Bye bye, Geheimsprache

Das Ergebnis ist eine transparente, nutzerorientierte Webseite, die die Sprache der Zielgruppe spricht. Und davon kann man sich einiges für die eigene Kommunikation abschauen. Der redaktionelle Leitfaden der britischen Regierungs-Website gibt Tipps für eine klare und transparente Sprache, die auch für Ihre nächste Präsentation nützlich sein könnten:

  • Seien Sie klar und präzise und nutzen Sie nicht unnötig komplizierte oder unhandliche Formulierungen. Zum Beispiel: Geht es wirklich um eine Problemstellung und eine Fragestellung? Oder ganz einfach um ein Problem und eine Frage? Und müssen Sie wirklich Niederschlag sagen, wenn Sie Regen meinen?
  • Nutzen Sie aktive Sprache. Passive Formulierungen sind unpräzise und anonym, denn sie verschleiern den Akteur. “Es wurde beschlossen, dass…” ist sehr viel weniger aussagekräftig als “Wir/Abteilung 5/Herr Müller haben beschlossen, dass…”.
  • Sprechen Sie Ihr Publikum an und machen Sie es zum Mittelpunkt Ihrer Aussage. Sagen Sie nicht: “Unsere Software sorgt für mehr Produktivität.” sagen Sie: “Mit unserer Software können Sie in weniger Zeit viel mehr erledigen.”  
  • Nutzen Sie Abkürzungen und Fachbegriffe nur, wenn Sie ganz sicher sind, dass Ihr Publikum sie versteht. Ansonsten erklären Sie sie oder lassen Sie sie ganz weg.

Wenn Sie etwas zu sagen haben, sagen Sie es in der Sprache Ihres Publikums. Und wenn ein bürokratischer Großapparat wie die britische Regierung das kann, dann können Sie es auch.

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Edles Ross oder lahmer Gaul? Nur wenn Sie präzise sind, weiß Ihr Publikum, was Sie meinen.

Im ersten Semester hat mir mein Linguistikprofessor erklärt, wie präzise die deutsche Sprache funktioniert. Er stellte dar, dass es im Deutschen keine zwei Begriffe gibt, die komplett austauschbar sind – bis auf spezielle Fachbegriffe zum Beispiel in der Medizin. So bezeichnen beispielsweise „Pferd“, „Ross“ und „Gaul“ zwar dasselbe Tier, jedoch transportieren sie unterschiedliche Konnotationen und haben demnach unterschiedliche Bedeutungen, die unterschiedlich verwendet werden.

Sprachen variieren in ihrer Präzision. So gibt es im Deutschen einen Unterschied zwischen kennen und wissen (englisch to know), im Englischen hingegen gibt es einen Unterschied zwischen monkey und ape (deutsch Affe). Insgesamt ist Deutsch aber eine Sprache mit einer extrem hohen Präzision, auch dank ihrer Fähigkeit Komposita zu bilden. Schade, dass man in Präsentationen trotzdem oft genug über vage Oberbegriffe stolpert. Dauerbrenner ist zum Beispiel das Wort „Ding“. Neulich begegnete mir: „Mit XY können Sie Dinge erledigen, ohne Kompromisse einzugehen.“ Das ist schön, aber wenn ich nicht weiß, um welche Dinge es geht, fühle ich mich nicht angesprochen.

Werden Sie konkret – Seien Sie präzise!

Wolf Schneider bringt in seinem Buch Deutsch für junge Profis das Problem fehlender sprachlicher Präzision auf den Punkt:

Am törichsten aber verhält sich der Schreiber, wenn er alles Lesevergnügen provokant zerstört, indem er eine Erwartung erst abstrakt weckt und sie dann nicht konkret befriedigt.

Wenn ich weiß, welche Dinge ich meine, wenn ich „Dinge“ sage, sollte ich sie auch benennen. Wenn ich es nicht weiß, woher soll es dann mein Zuhörer oder Kunde wissen?

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Hauptsache politisch korrekt. Erfüllt Kommunikation, die nur aus leeren Masken besteht, überhaupt noch ihren Zweck?

In seiner Kolumne auf Spiegel online hat Jan Fleischhauer neulich einen Artikel mit dem Titel Political Correctness: Auf dem Weg zur Trottelsprache veröffentlicht. Es geht um Political Correctness in Kinderbüchern: Pippi Langstrumpf trifft nun nicht mehr auf den Negerkönig, sondern den Südseekönig, in „Die kleine Hexe“ verkleiden sich die Kinder künftig nicht mehr als Chinesenmädchen oder Neger. Fleischhauer resümiert die Vergänglichkeit von politisch korrekten Begriffen so:

Kaum ist ein neuer Begriff gefunden, vergeht etwas Zeit, bis auch dieser als abwertend empfunden wird. Auf Ausländer folgt Migrant, auf Migrant der Mensch mit Migrationshintergrund. Wenn auch das pejorativ klingt, wendet man sich der anderen Seite zu und spricht von Pass- beziehungsweise Bio-Deutschen. Irgendwann ist man bei der Trottelsprache. Dann ist der Behinderte nicht mehr behindert, sondern „anders befähigt“ beziehungsweise ein „Mensch mit anderen Bedürfnissen“.

Sprache ist ein Spiegel unserer Kultur. Wenn ein Begriff aus historischen Gründen vorgeprägt ist und seine Verwendung traumatische Erlebnisse wiederaufleben lässt, möchte ich mir nicht anmaßen, darüber zu urteilen, ob er weiterhin benutzt werden muss oder nicht. In vielen Fällen habe ich jedoch den Eindruck, dass Sprache zur politischen oder gesellschaftlichen „Erziehung“ missbraucht wird.

Wenn jemand aus dem Ausland kommt, ist es – rein sprachlich – dann nicht nur logisch, dass er ein Ausländer ist? Versuchen Sie mal, ein Kind dazu zu bringen, stattdessen den Begriff „Mensch mit Migrationshintergrund“ zu verwenden. Und warum dürfen Menschen, die studieren, nicht ganz kurz und bündig „Studenten“ sein, egal welches Geschlecht sie haben?

Wollen Sie etwas sagen oder niemandem auf die Füße treten?

Worum es mir eigentlich geht: Wenn unsere Sprache zwar so neutral ist, dass sie ja keinem auf die Füße tritt, aber nur noch aus Worthülsen besteht, erfüllt sie dann überhaupt noch ihren kommunikativen Zweck? Oder wüssten Sie auf Anhieb, von wem die Rede ist, wenn man von einem Menschen spricht, der „anders befähigt“ ist?

Möchte ich eine Botschaft rüberbringen, muss ich das Kind beim Namen nennen. Wie wichtig das ist, beweisen zahllose langatmige, inhaltsleere Politikerreden – Entschuldigung, Politiker- und Politikerinnenreden. Und sicherlich auch zahllose Präsentationen, die Sie tagtäglich erleben.

In Mali habe ich etwas erlebt, dass diesen Punkt sehr schön unterstreicht. Auf den Straßen rufen Kinder einem hellhäutigen Besucher „Weißer! Weißer!“ nach. Man entgegnet mit der gleichen Fröhlichkeit „Schwarzer! Schwarzer!“. Das trifft es genau auf den Punkt und politisch inkorrekt findet das niemand.

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Dr. Michael Gerharz