Ich bin der Coolste hier und überhaupt

Das mag durchaus sein. Aber wer will das hören?

Klar ist Ihr Konzept grandios. Und natürlich sind Sie stolz auf die 28 Awards, die Sie im letzten Jahr gewonnen haben. Und die Referenzprojekte. Und Ihr Firmengebäude. Ihr Mission Statement …

Aber wer will hören, wie Sie sich 45 Minuten lang selbst beweihräuchern?

Es ist nachvollziehbar, dass Sie sich für einen Pitch im besten Licht präsentieren wollen. Sinnvoller wäre, Ihre Kunden ins beste Licht zu rücken. Je besser Ihre Kunden nach Ihrem Pitch dastehen, desto besser sind Ihre Chancen auf den Auftrag. Statt „Die haben 28 Awards“ soll doch lieber hängenbleiben: „Deren Konzept reduziert unsere Rückläufer um 36%.“, „Mit denen bringen wir 50% mehr Kunden in die Shops.“, „Das spart uns jede Woche 2 volle Tage Arbeit im Team.“, „Ich seh das Produkt schon in den Regalen. Die Kunden werden es uns aus den Händen reißen.“

Sofern Ihre Referenzbeispiele dazu beitragen, dieses Kopfkino zu befeuern, sind es die richtigen. Wenn das Grinsen bei jedem Beispiel breiter und breiter wird, weil die Kunden sich in den Referenzen entdecken und verstehen, dass genauso gut sie an der Stelle des Referenzkunden stehen könnten. Wenn die Kunden sich bei jedem weiteren Beispiel gedanklich mehr und mehr auf die Schulter klopfen, weil sie schon vor ihrem inneren Auge sehen, wie auch ihr Projekt zum vollen Erfolg wird. Dann sind es die richtigen Beispiele.

Wenn die Beispiele nur dazu da sind, dass Sie sich selbst auf die Schultern klopfen, passiert all das nicht. Die eigentliche Überzeugungsarbeit kommt dann erst nach der Präsentation, im Gespräch.

Verstehen Sie mich richtig: Ihre Kunden wollen den bestmöglichen Auftragnehmer für das Projekt und sie wollen das auch glauben können. Aber die Kunden wollen Ihnen nicht huldigen.

Stellen Sie immer die Kunden in den Mittelpunkt Ihres Pitches, damit sich danach die Kunden einen Kopf größer fühlen. Sie selbst können sich das für zu Hause aufheben.

Keine Ahnung? Kein Problem!

Zur Wissenslücke stehen, statt heiße Luft zu blasen Zuzugeben, dass Sie etwas nicht wissen, stärkt Ihre Glaubwürdigkeit.

Was passiert eigentlich, wenn das Internet voll ist? Bernd Neumann, Staatsminister und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, weiß ganz offensichtlich nicht, was er NDR-Reporterin Caro Korneli auf der CDU Mediennacht 2011 darauf antworten soll. Unbeirrt lässt er also eine ganze Bullshitlawine ab und macht sich damit wochenlang zum Gespött der digitalen Nation.

Leider ist Neumann kein Einzelfall. Sie begegnen uns jeden Tag: Dummschwätzer, Schaumschläger und Heiße-Luft-Puster, die glauben, dass sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit eine sichere Kiste ist; dass Irgendwas-sagen im Zweifel besser ist als vermeintlich Doof-dastehen. Überzeugend ist das jedoch nie.

Mut zur Lücke

Niemand kann alles wissen. Wer geradeheraus sagt, „Tut mir leid, das weiß ich nicht“ oder „Die Frage habe ich jetzt nicht verstanden, würden Sie sie noch einmal neu formulieren?“, bleibt authentisch und ehrlich. Wer um den heißen Brei herumredet, wirkt unglaubwürdig.

Natürlich sollten Sie Ihren Vortrag gut vorbereiten. Aber es kann immer die eine Frage geben, die Sie doch auf dem falschen Fuß erwischt. Wollen Sie trotzdem souverän auftreten und Ihr Publikum für sich gewinnen, ist es viel besser zuzugeben, dass Sie die Antwort nicht wissen, anstatt wild zu rudern.

Hier sind ein paar Ansätze, wie Sie sich verhalten können, wenn Sie eine Frage aus dem Publikum nicht beantworten können:

1. Antworten Sie erst, wenn Sie die Frage wirklich verstanden haben

Herr Neumann strauchelt u.a. deswegen, weil er gar nicht so genau verstanden hat, was Frau Karoli eigentlich meint. Anstatt sofort loszureden, hätte er also zuerst nachfragen sollen: „Die Frage habe ich nicht verstanden. Wie genau meinen Sie das?“ Dann hätte er erkannt, dass es eine Scherzfrage war.

Wer nicht einmal weiß, wozu er sich äußerst, kann ja nur Bullshit erzählen. Achten Sie also darauf, dass Sie die Frage richtig verstanden haben, formulieren Sie sie notfalls in Ihren eigenen Worten neu und stimmen Sie so mit dem Fragenden ab, dass Sie das gleiche meinen. Dadurch zeigen Sie Ihrem Publikum auch, dass Sie die Frage ernst nehmen. Nützlicher Nebeneffekt der Nachfrage: Sie erhalten mehr Zeit zum Nachdenken.

2. Geben Sie Fragen weiter

Halten Sie beispielsweise einen Vortrag vor Fachpublikum, spielen Sie Fragen zurück. Sagen Sie: „Mit diesem Aspekt habe ich mich bisher nicht detailliert beschäftigt, aber glücklicherweise sind wir in einem Raum voller Experten. Darf ich die Frage an das Publikum weitergeben? Wer von Ihnen kann etwas dazu sagen?“

3. Bleiben Sie dran

Manchmal kennen Sie vielleicht nicht die Antwort auf eine Frage, wissen aber, wie Sie sie bekommen können. Sagen Sie dann zum Beispiel: „Das kann ich gerade nicht beantworten. Aber das finde ich gerne für Sie heraus und komme auf Sie zurück.“ Oder: „Ich bringe Sie gerne in Kontakt mit meinem Kollegen XY, er ist ein Spezialist auf diesem Gebiet.“ Versäumen Sie dann nur auf keinen Fall, Ihr Versprechen auch tatsächlich zu halten.

4. Entwaffnen Sie Besserwisser

Lassen Sie sich nicht auf Spitzfindigkeiten und Klein-Klein-Diskussionen ein. Wenn sich ein Fragesteller daran festbeißt, dass Sie etwas nicht wissen, sagen Sie: „Leider haben wir im Moment keine Zeit, diese Frage im Detail zu diskutieren. Vielleicht können wir das gleich in der Kaffeepause weiter besprechen?“ Übrigens: Oft wird ein solcher Besserwisser gar kein Interesse mehr daran haben, das Thema weiter zu vertiefen, wenn niemand anderes zuhört.

5. Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Antwort

Steve Jobs war bekannt dafür, vor einer Antwort lange nachzudenken. Je schwieriger die Frage, desto mehr Zeit nahm er sich. Er legte sich in Gedanken seine Antwort zurecht, bevor er zu sprechen begann – und nicht erst, nachdem er bereits die ersten Worte gesagt hatte. Machen Sie sich keine Sorge über die Stille, die entsteht, wenn Sie erst einmal ein paar Sekunden nach der richtigen Antwort suchen. Ihr Publikum wird es Ihnen danken, wenn die Antwort danach fundiert und wohl formuliert ist.

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Die Fehler der Anderen

Was haben alle gelacht, besonders die in der letzten Reihe, die der Vortragende nicht mehr sehen konnte …

Der Vortrag war schon 5 Minuten über die Zeit. Der Moderator unterbrach höflich, aber bestimmt. Doch der Vortragende versuchte, sich zu retten: „Ich hab’ nur noch eine kleine Zusammenfassung.“ Und dann das: meterweise Text auf der Schluss-Folie, mindestens 7 Stichpunkte mit Unterpunkten. Man sah den Spott in den Köpfen förmlich: „Das meint der doch nicht ernst.“

Und dann kam der nächste Vortragende, einer von denen aus der letzten Reihe. Erste Folie: „Motivation“, meterweise Text, mindestens 7 Stichpunkte mit Unterpunkten …

Über schlechte Vorträge lästern kann jeder, besser macht es leider nicht jeder.

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Dr. Michael Gerharz