Interessante Bücher, die ich in 2015 gelesen habe – III. The Story Grid

The Story Grid, What Good Editors Know

von Shawn Coyne

You must know what your reader is expecting before you can possibly satisfy her. And yes, if you are writing a Story, you must think of your audience. A Story means nothing if it is not experienced.

Shawn Coynes Beruf ist es, Bücher zu Bestsellern zu machen. In seinem großartigen Buch „The Story Grid“ verrät er, nach welchen Kriterien er dabei vorgeht, wie er ein Buch bewertet und verbessert. Sie ahnen, dass das erheblich über die Heldenreisen-Folklore hinaus geht, die inzwischen fast schon Allgemeinbildung geworden ist.

Coyne meint es ernst. Das Buch ist unterhaltsam und gespickt mit Stammtischwissen, doch am meisten werden die profitieren, die ernsthaft ihre Stories verbessern möchten. Es ist keine Strandlektüre, sondern ein Fachbuch für Menschen, die es ebenso ernst meinen mit ihren Stories und verstehen möchten, warum manche Stories ein Millionenpublikum fesseln und manche (die eigenen?) gähnend langweilig sind. Coyne scheut sich nicht, in die Tiefe zu gehen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass sich das Buch nur für Romanautoren lohnt. Im Gegenteil. Denn Coyne hat natürlich recht, wenn er schreibt:

If you have no sense of Story when making a documentary, you are in deep trouble.

Klar ist seine Methode auf Romane und Kurzgeschichten zugeschnitten, aber sie funktioniert gleichfalls für Sachthemen, Dokumentationen oder eben Präsentationen. Auch dort weckt man die Neugier des Publikums mit einem „Inciting Incident“, einer unerwarteten Erkenntnis und führt das Publikum unerbittlich bis zum Point of no Return, dem Punkt an dem das Publikum vor der Entscheidung steht, weiter zu machen wie bisher oder den Ideen aus dem Vortrag zu folgen. Jede Story, auch Ihre Präsentation, profitiert davon, wenn sich das Publikum als Held der Story identifiziert und die inneren Konflikte und Zwiespalte nachvollziehen kann, die zu einer Entscheidung führen.

Warum dieses Prinzip funktioniert? Weil wir darauf gepolt sind, uns in andere Menschen hineinzudenken, so wie eben in die Helden guter Stories:

There is nothing more powerful in a Story than having a lead character desperately pursuing something. The reader or viewer cannot help but attach himself to that character because he has objects of desire too. If the lead character in a Story gets what he wants, our brains are wired to believe that we can too.

Story Grid ist zugleich ein sehr theoretisches wie sehr praktisches Buch. Nicht jeder wird sich durchwühlen wollen, aber wer es tut, findet darin eine praktisch sehr gut anwendbare Methode, mit der er seine Story, ob fiktional oder nicht, auf Herz und Nieren prüfen und verbessern kann.

Für mich das interessanteste Buch 2015.

Der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt

Mein Leben oder seines, Job oder Liebe, Aufmucken oder ewiger Loser, Handeln oder Ertragen … Gute Geschichten erkennt man u.a. daran, dass sie den Protagonisten Schritt für Schritt, aber unvermeidlich in eine Lage bringen, in der er eine Entscheidung treffen muss, die sein Leben für immer verändert, egal wie er sich entscheidet.

Shawn Coyne schreibt in seinem Autorenratgeber The Story Grid – What Good Editors Know, was gute von schlechten Geschichten in diesem Punkt unterscheidet (Hervorhebung von mir):

Ask yourself the simple question…how difficult would it be for my character to reverse his decision? Could he go back to his old life without any repercussions? A few repercussions? Or is there no turning back? You’ve hit the Point of No Return when no matter what decision the character makes, he will be irrevocably changed by the experience. If he does one thing, he’ll put himself in great danger (either physically or psychologically) and if he doesn’t, he’ll be tormented by his inaction, incapable of functioning the way he used to.

Hier ist eine Herausforderung für Sie:

Vorausgesetzt, dass sich Ihre Präsentation ehrlich mit den Bedürfnissen oder Problemen Ihres Publikums beschäftigt, bringen Sie es denn auch zum Point of No Return? Bringen Sie es mit Ihrer Story, mit Ihrer Argumentation Schritt für Schritt, aber unvermeidlich an den Punkt, an dem es eine Entscheidung treffen muss? Argumentieren Sie so zwingend, dass das Publikum nach Ihrer Präsentation gedanklich an einem Punkt ist, an dem es, egal welche Entscheidung es jetzt fällt – z.B. Ihrer Empfehlung zu folgen oder weiter zu machen wie bisher – unwiderruflich verändert ist? Haben Sie Ihre Sache so zwingend dargelegt, dass Ihr Publikum versteht, welche Konsequenzen sein Handeln oder Nichthandeln hat?

Das setzt natürlich voraus, dass Sie eine Sache haben, für die es sich zu präsentieren lohnt; dass Ihr Thema nicht banal ist; dass es einen wahren Grund gibt für Ihre Präsentation, der etwas mit dem Leben Ihres Publikums zu tun hat.

Aber wenn es diesen Grund gibt, und wenn Sie es schaffen, dass Ihr Publikum sich in Ihrer Präsentation wiedererkennt, dann sollten Sie alles daran setzen, um es auch zum Point of No Return zu bringen.

Silicon Valley und die Geschichte mit den Geschichten

Große digitale Firmen wie Twitter, Apple , Youtube oder Facebook setzen neuerdings auf Journalisten, wie die Zeit kürzlich im Artikel “Silicon Valley versucht Journalismus” berichtete.

Bei Twitter sollen diese Journalisten zum Beispiel im Rahmen von “Twitter Lightning” dabei helfen, Twitters unglaubliche Masse an Kurztexten, Fotos und Videos zu kuratieren und Stories zu generieren – nach einem ähnlichen Prinzip wie das Social Media Geschichten-Tool Storify.

Apple will mit seiner neusten App “News” direkt ins Nachrichtengeschäft einsteigen, wie Apples Marketingexpertin Susan Prescott kürzlich auf Apples Entwicklerkonferenz ankündigte. Auch Facebook setzt mit “Instant Articles” und Youtube mit “Newswire” auf journalistische Inhalte.

Die Idee dahinter ist einleuchtend. Journalisten können eines besonders gut: Spannende Geschichten erzählen. Und wenn uns eines fasziniert und fesselt, dann sind es gut erzählte Geschichten. Logisch eigentlich, dass Twitter und Co diese Macht nutzen wollen.

Und Sie? Haben Sie die Macht von Geschichten schon für Ihre nächste Präsentation erkannt?

Die Schere im Kopf

Der innere Bedenkenträger ist das Kryptonit unserer Kreativität. „Ach nee, das ist ja doch nicht so gut…“ oder „Dafür belächeln mich die Kollegen bestimmt“ oder „Das hat doch noch nie jemand so gemacht…“  

Sicherlich, Selbstkritik ist gesund. Sie sorgt dafür, dass wir über unsere Ideen reflektieren und sie von allen Seiten beleuchten. Aber achten Sie darauf, dass der innere Kritiker nicht zur Schere im Kopf wird. Denn: Ohne Risiko keine Belohnung. Oder glauben Sie ein Steve Jobs hat sich von der Schere im Kopf einschränken lassen? Ein Michael Jackson? Ein Mark Zuckerberg?

„Never change a running system“ ist Unsinn. Denn wenn wir uns nie trauen etwas zu verändern, können wir uns auch nie verbessern. Wir bleiben auf ewig auf demselben Stand. Festgefahren. Eingefroren.

Beim Präsentieren geht es darum, Aufmerksamkeit zu schaffen und im Gedächtnis zu bleiben. Ihre Präsentation wird sich niemals abheben, wenn Sie einfach nur alle Punkte auf dem „Das macht man eben so“-Vordruck abhaken.

Vielleicht brauchen Sie für Ihren nächsten Vortrag gar keine Folien, sondern ein Modell. Vielleicht verbildlichen Piktogramme Ihre Idee viel besser als ein Powerpoint-Schaubild. Vielleicht ziehen Sie Ihr Publikum viel schneller in Ihren Bann, wenn Sie, im Gegensatz zu allen anderen, mit einer Heldengeschichte einsteigen.

Trauen Sie sich?

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Mehr als Ruhm und Ehre: Warum wir alle Helden sein können

A hero is someone who, in spite of weakness, doubt or not always knowing the answers, goes ahead and overcomes anyway. – Christoper Reeve

In der letzten Woche drehte sich hier im Blog alles um Helden und Heldengeschichten. Was das sollte? Wollen wir Ihnen sagen. Hier sind drei Dinge, die wir letzte Woche über Helden gelernt haben und die Ihnen dabei helfen, auch für Ihre Präsentationen einen Helden zu finden.

1) Helden sind mehr als Superhelden

Denken Sie an einen Helden. Spontan fällt Ihnen wahrscheinlich ein Superheld ein. Ein muskelbepackter, testosteronstrotzender Typ mit strahlend weißen Zähnen und perfekten Haaren. Marke Superman oder Captain America. Oder?

Und dann denken Sie noch einmal darüber nach. Muss ein Held immer eine Superkraft haben? Eigentlich nicht. Beim zweiten Nachdenken fällt uns bestimmt jemand ein, der uns inspiriert hat, den wir bewundern, an den wir denken und uns sagen: “Was der macht, das bewundere ich …” Nehmen wir zum Beispiel John Scofield, Dr. Michael Gerharz’ persönlichen Helden. Ein Jazzgitarrist, der sich nicht mit dem Status Quo abfindet. Der sich und seine Musik ständig neu erfindet. Oder zumindest danach strebt. Weil das, was bequem und erprobt ist, den Weg zu Neuem und Spannendem verbaut, wenn man sich darauf ausruht. Ein Mensch, der sich durch das definiert, was er erreichen kann, nicht durch das, was er nicht erreichen kann.

2) Helden sind überall

Steve Jobs, Nelson Mandela und seit Kurzem wohl Conchita Wurst fallen in diese Kategorie von Helden, die sich auch ohne Superkräfte trauen, gegen den Strom zu schwimmen. Aber ziehen wir den Kreis doch noch etwas enger. Was, wenn Helden direkt vor unserer Nase sind und wir ihnen jeden Tag begegnen? Zum Beispiel Zuhause, im Supermarkt, am Arbeitsplatz. Eine Mutter kann ein Held sein, weil sie ihre Karriere für ihre Familie hinten anstellt. Oder Menschen wie meine Schwiegereltern, die für ihren Sohn alles aufgaben. Jemand, der einer älteren Dame über die Straße hilft, obwohl er selbst schon viel zu spät dran ist. Ein Kollege, der sich traut, dem Chef das zu sagen, was wir anderen alle bloß denken. An diese Art von Held dachten auch viele unserer Kollegen, die wir zu dem Thema befragt hatten.

3) Helden lassen uns mitfühlen

Und was ist all diesen Helden gemein? Sie existieren nicht bloß auf einer Leinwand oder leben ein Leben, das für uns genausogut auf dem Mond stattfinden könnte. Es sind offensichtlich die Helden aus dem normalen Leben, die uns am meisten berühren. Und deshalb sind es auch diese Alltagshelden, die Ihnen helfen können, Ihr Publikum zu überzeugen. Weil sie mitten unter uns leben, können wir alle uns mit ihnen identifizieren, ihr Verhalten direkt auf unser Leben beziehen und sie uns zum Vorbild nehmen. Sie geben uns das Gefühl: Wir alle können Helden sein, weil Heldentum in uns allen schlummert.

Wecken Sie genau dieses Gefühl in Ihrer Präsentation. Erzählen Sie eine Heldengeschichte, in denen Ihr Held Grenzen überschritten hat, die Ihre Zuhörer nicht überschritten haben und nicht überschreiten würden, aber überschreiten könnten. So fühlen sie mit dem Helden, durchleben mit ihm seine Höhen und Tiefen, seine Ängste, seinen Mut und vor allem die Genugtuung, es richtig gemacht zu haben, wenn er sein Ziel erreicht.

Dann bleibt hängen: Das will ich auch! Beziehungsweise: Das kann ich auch!

Und nun? Finden Sie Ihren Helden!

Wer ist Ihr Held? Und welche Rolle spielt er in Ihrer Präsentation, weil er Teil Ihrer Botschaft, Ihres Produkts, Ihrer Idee ist? Teilen Sie mit uns Ihre #heroStory auf Twitter. Wir sind gespannt!

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Meins! Meins! Meins!

Sobald uns etwas (gefühlt) gehört, erscheint es uns wertvoller. Dieses Gefühl wollen Sie auch bei Ihrem Publikum auslösen.

Geschickte Verkäufer erzählen ihren Kunden nicht nur von ihren Produkten. Sie geben sie ihnen in die Hand und lassen sie sie anfassen. Warum? Indem wir etwas anfassen, bekommen wir ein Gefühl der Kontrolle über dieses Objekt und nehmen es gedanklich in Besitz, wenn auch nur für wenige Augenblicke. Und was uns gehört, werten wir automatisch auf. Das nennen Psychologen den “Endowment Effect” oder “Besitztumseffekt”. Er wurde in mehreren Studien bewiesen, die zeigten, dass Versuchspersonen den Objekten, die sie besitzen, einen sehr viel höheren Wert zuwiesen als diejenigen Personen, denen die Objekte nicht gehörten. Eine aktuelle Studie zeigt sogar, dass der subjektiv wahrgenommene Wert eines Produkts steigt, wenn Menschen nur das Bild eines Produktes auf dem Touchscreen ihres Tablets berühren.

Was bedeutet das nun für Ihre Präsentation?

Natürlich können Sie Ihrem Publikum nicht jedes Produkt und erst recht keine abstrakte Dienstleistung in die Hand geben. Aber Sie können das Publikum mitfühlen lassen, damit die Inbesitznahme im Kopf trotzdem stattfindet. Dafür müssen Sie es sozusagen “programmieren”.

Der Knoten im Kopf

Im letzten Jahr hatten wir einen Kunden, der seinem Publikum seine Dienstleistung als “Knotenlöser” vorstellen wollte, da sie Klarheit in ein verworrenes System bringt. Wir haben ihm geraten, im wahrsten Sinne des Wortes vor seinen Zuhörern einen Knoten zu lösen. Er hat also ein Stück Seil genommen und einen kleinen Trick angewandt, mit dessen Hilfe er erst einen kompliziert aussehenden Knoten geknüpft hat, den er dann mit einem festen Ruck an beiden Seiten auflösen konnte. Das hat auf sein Publikum sehr viel stärker gewirkt als eine reine Beschreibung. Während er das Seil zeigte, anfasste, sich durch die Finger gleiten liess, hat das Publikum mitgefühlt, mitgeknotet und am Ende die gleiche Erleichterung gespürt, als sich der Knoten löste. Dieses Gefühl hat sich dann automatisch auf die Lösung des abstrakten Problems übertragen, was zu einer Identifikation mit der Lösung in Form der angebotenen Dienstleistung führte.

Was der kann, kann ich auch!

Auch mit Worten können Sie diesen Effekt erzielen. Durch das Erzählen von Geschichten. Im Fall unseres Kunden Spitzmüller, einem Innovationsberater, haben wir eine Präsentation konzeptioniert, die beim Zuhörer ein “Das will ich auch”-Gefühl auslöste. Wir haben positive Kundenbeispiele aufgeführt, in denen sich Unternehmen mit Hilfe des Dienstleisters Spitzmüller erfolgreich um staatliche Innovationsförderung beworben haben. Die Zuhörer haben sich mit den Helden der Geschichten identifiziert und somit nicht nur deren Problemen, sondern auch die Auflösung der Situation (also die erfolgreiche Zuweisung von staatlichen Fördergeldern) verinnerlicht: Seine Situation ist meine Situation. Sein Problem ist mein Problem. Der ist so wie ich. Und was der kann, kann ich also auch! Also ist auch die Lösung des Problems wie für mich gemacht.

Und nein, diese vollkommene Konzentration auf die Bedürfnisse des Zuhörers ist nicht immer leicht. Auch als Vortragender sträuben wir uns davor, das loszulassen, was uns gehört: Unsere Idee, unsere Botschaft, unsere Lösung. Aber nur wenn Sie zulassen, dass diese Idee den Besitzer wechselt, indem Ihr Publikum sie sich zu eigen macht, können Sie wirklich überzeugen.

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Die Tage des Herrn Jürgens

Aufstehen, frühstücken, Kinder zur Schule bringen. Nicht gerade der Stoff für eine spannende Geschichte. Oder doch?

Als der Wecker klingelt, ist es 7 Uhr. Herr Jürgens steht auf und geht ins Bad. Wie jeden Morgen nimmt er erst einmal eine kühle Dusche. Danach: Frühstück. Die Kinder sitzen schon am Tisch und starten den Tag da, wo sie ihn am Vortag beendet hatten: „Papa, Johanna hat mich geärgert.“ So geht das jeden Morgen.

Um 7:45 Uhr sitzen alle im Auto und Herr Jürgens fährt seine beiden Kinder zur Schule. Im Büro steht heute nichts Wichtiges an. Er wird also pünktlich Feierabend machen und kann auf dem Heimweg noch einkaufen. Am Abend spielen sie „Mensch ärgere dich nicht“, bevor die Kinder um 20.00 Uhr ins Bett müssen. Um 22:30 Uhr ist auch für Herrn Jürgens Bettzeit.

Als der Wecker klingelt, ist es wieder 7 Uhr. Herr Jürgens steht auf und geht ins Bad. Erst duschen, danach Frühstück. Um 7:45 Uhr sitzen wieder alle im Auto und Herr Jürgens fährt seine beiden Kinder zur Schule.

Langweilig, oder?

Langweilig, oder? Kein Wunder, denn in dieser Geschichte, die eigentlich gar keine Geschichte ist, passiert nichts Spannendes. Wenn ein Ereignis dem anderen folgt, ohne dass die handelnden Personen erkennbar Ziele haben und deshalb vor einem Konflikt stehen, fehlt der Erzählung die Spannung. Und ohne Spannung schalten wir früher oder später ab. Deshalb ist Herrn Jürgens’ Leben bisher keine Geschichte.

Zur Geschichte wird es erst in dem Augenblick, als auf dem Weg zur Schule plötzlich ein Kind vor sein Auto läuft. Sofort tritt er mit voller Kraft auf die Bremse. Die Reifen quietschen. Keine 5 Zentimeter vor dem Kind bleibt das Auto stehen.

Aus dem Hintergrund hört er Toms Schreie: „Papa! Papa! Johanna! Papa! …“ Es dauert einen Moment, bis Herr Jürgens darauf reagiert. Erst dann blickt er sich um. Johanna liegt quer auf dem Rücksitz. Bewusstlos. Sie blutet. Sie war nicht angeschnallt.

Wie geht es weiter …

Jetzt wollen Sie wissen, wie es weiter geht. Was ist mit Johanna? Warum war sie nicht angeschnallt? Das wird sicher kein normaler Tag. Wie erklärt Herr Jürgens das seiner Frau? Seinen Freunden? Seinen Kollegen? Warum war sie nicht angeschnallt? Wann kommt endlich der Krankenwagen?

Wie geht es weiter? Das ist die entscheidende Frage, die eine Erzählung erst zu einer spannenden Geschichte macht. Und sie entsteht erst dann, wenn es einen Konflikt gibt. Wenn es einen „Helden“ gibt, der vor einer Herausforderung steht, die eben nicht alltäglich (für ihn) ist. Eine Herausforderung, deren Lösung nicht offensichtlich ist.

… in Ihrem Vortrag?

Wie wird aus Ihrem Vortrag eine spannende Geschichte? Wer steht in Ihrer Erzählung vor einem Konflikt? Was ist das Nicht-Alltägliche?

Wenn Sie wollen, dass Ihr Publikum nicht nach drei Minuten gelangweilt abschaltet, so wie Sie es schon fast nach den ersten drei Absätzen dieses Artikels tun wollten, sollten Sie Antworten auf diese Fragen suchen.

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Let’s Talk: Erzähl’ keine Märchen

Let’s Talk mit Dr. Kerstin Hoffmann, Kommunikationsberaterin und Autor des PR-Doktor. Wir haben den Hype um Storytelling und Content-Strategien unter die Lupe genommen und uns u.a. gefragt:

  • wann sich das Publikum märchenhaft veräppelt fühlt,
  • worin man am besten seine Hände badet,
  • wann die Angst vor dem nächsten Mal verschwindet,
  • ob Authentizität überhaupt erstrebenswert oder eher langweilig ist,
  • wie das berühmteste Gedicht der Moderne entstand,
  • ob gute Mediziner auch gute Geschichtenerzähler sein müssen.

Eine lange Folge, aber es lohnt sich:

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Das will ich auch!

Jeder will ein Happy EndEin muskulöser Typ mit cooler Sonnenbrille fährt in einem schnellen Auto am Meer entlang. Eine umwerfende Frau fährt neben ihm her. Er hält an und springt von der Klippe ins kristallklare Wasser. Am Strand wartet die Traumfrau lächelnd auf ihn. Das wollen Sie auch? Können Sie haben. Kaufen Sie dafür nur den am Ende des Spots eingeblendeten Herrenduft. So einfach ist das.

Das Konzept klingt trivial, ist aber erfolgreich. Werbung funktioniert dann am besten, wenn sie Emotionen weckt. Wenn sie im Zuschauer ein “So will ich auch sein/aussehen/mich fühlen/gesehen werden”-Gefühl auslöst. Denn wer bei seinen Emotionen gepackt wird, der ist eigentlich schon so gut wie überzeugt.

Und was wollen Sie verkaufen?

Die Macht der Emotionen können Sie auch bei Ihren Vorträgen nutzen. Denn auch Sie wollen mit Ihrer Präsentation etwas verkaufen; sei es ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Idee. Sie wollen, dass sich Ihre Zuhörer mit Ihrem Produkt oder Ihrer Idee identifizieren und denken: “Das will/kann/finde ich auch!” Dabei kann es sich um ein Parfüm, aber genauso gut um ein Staubsaugermodell oder eine abstrakte Idee wie Tierschutz oder eine neue Organisationsstruktur in Ihrem Unternehmen handeln.

Die “Das will ich auch”-Geschichte

Die emotionale Identifikation Ihres Publikums mit Ihrer Botschaft geschieht idealerweise zu Anfang Ihrer Präsentation, damit es Ihnen während des gesamten Vortrags aufmerksam zuhört. Geschichten eignen sich sehr gut für einen emotionalen Einstieg, den Sie im Laufe des Vortrags dann mit Fakten und Argumenten unterfüttern können.

Für eine solche Geschichte brauchen Sie drei Zutaten:

Der Held: Mit dem Helden der Geschichte muss sich Ihr Zuhörer identifizieren. Das kann jemand sein, der ihm tatsächlich ähnlich ist und seine Probleme teilt oder der wie jemand ist, der Ihr Zuhörer gerne sein möchte (wie im Fall der Parfümwerbung). Der Held kann zum Beispiel jemand sein, der im selben Beruf arbeitet, in der selben Region lebt oder ein Prominenter ist. In jedem Fall muss es ein Protagonist sein, mit dem Ihr Zuhörer mitfühlt.

Das Problem: Das Problem Ihrer Geschichte bedroht die heile Welt des Helden. Diese Herausforderung sollte also eine relevante und reale Problematik für Ihren Zuhörer sein. Zum Beispiel etwas, das ihm regelmäßig in seinem Alltag begegnet, nach dem Motto: “Kennen Sie das nicht auch, wenn…?” Im Fall der Parfümwerbung wird das Problem übrigens nur implizit dargestellt, denn sie suggeriert: “So willst du zwar gerne sein, aber du bist es leider nicht!”

Das Happy End: Am Happy End der Geschichte sollte Ihr Produkt oder Ihre Idee maßgeblich beteiligt sein. Wie trägt Ihre Idee dazu bei, dass der Held sein Problem löst oder etwas Positives erwirkt? Wie macht Ihr Produkt dem Helden das Leben leichter? Bei der Parfümwerbung ist das Happy End natürlich, dass man mit diesem Parfüm im Handumdrehen zu einem cooleren Typen wird.

Und welches Happy End erwartet Ihr Publikum?

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Um ein guter Geschichtenerzähler zu werden, reicht es nicht, die Theorie zu kennen. Sie müssen üben. Zum Glück ist das einfach, denn Sie können direkt loslegen, im nächsten Gespräch. Erzählen Sie eine Geschichte statt nur Fakten. Das wird manchmal nicht klappen. Aber jedesmal werden Sie besser.

Besonderen Spaß macht das Üben spielerisch, z.B. mit Rory’s Story Cubes, einem bestechend einfachen Spiel. Es besteht aus neun Würfeln mit je 6 Symbolen. Nachdem ein Spieler eine Kombination dieser Symbole gewürfelt hat, muss er eine Geschichte erzählen, in der alle 9 Symbole vorkommen (am besten natürlich nach dem Prinzip der Heldenreise).

Rory’s Story Cubes

Das Spiel macht Spaß, passt in jede Tasche und funktioniert in jeder Altersgruppe: am Wochenende mit den Kindern, in der Kaffeepause mit den Kollegen, im Workshop mit den Teilnehmern und vieles mehr.

Natürlich lässt sich das Spiel im Prinzip auch ohne die Würfel spielen. Greifen Sie sich einfach neun Dinge auf Ihrem Schreibtisch. Oder tippen Sie zufällig neun Wörter aus einem Wörterbuch an. Wählen Sie je ein Wort aus den ersten neun Überschriften der Tageszeitung. Oder nehmen Sie die beworbenen Produkte der ersten neun Anzeigen, die Ihnen unter die Augen kommen.

Hauptsache Sie üben. Dann wird das schon mit dem Geschichtenerzählen.

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