Zitrone des Monats: Nokias Kapitulation
Rich Green, Chefentwickler bei Nokia, hat sich vor zwei Wochen beim Nokia Developer Day eine saftige Zitrone des Monats verdient, weil er leidenschaftslos die Chancen eines Systems predigte, an das er selbst nicht glaubt. Dazu ein wenig Vorgeschichte:
Nokia war unangefochtener Marktführer auf dem Handymarkt, technologisch führend und gleichzeitig hip (ich hatte selbst mal eins), trotzdem bodenständig, manche sagen fast schon finnisch kühl. Da lässt man sich nicht so schnell beeindrucken von einem arroganten amerikanischen Computerhersteller, der mit einem Riesen-Brim-Bam-Borium einen Medienwirbel um so ein vermeintlich revolutionäres Telefon macht und glaubt, damit irgend jemanden im gestandenen Handy-Business beeindrucken zu können.
Das war 2007. Heute, vier Jahre später, sieht die Welt anders aus. Apple ist der Star am Smartphone-Himmel. Nokia verkauft zwar immer noch viel mehr Handys als Apple, aber wer heute an schicke Smartphones denkt, der denkt an das iPhone, vielleicht noch an Googles Android.
Vor zwei Wochen kam Nokias großer Befreiungsschlag. Nokia setzt in Zukunft voll auf das Handy-Betriebssystem von Microsoft. Microsoft gehörte übrigens auch zu den gestandenen Firmen, die damals, 2007, den Smartphone-Markt mitbestimmten und das iPhone müde belächelten. Microsofts damaliges Handysystem ist heute in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Das Nachfolgesystem, Windows Phone 7, das selbst noch in den Kinderschuhen steckt, soll jetzt Nokia retten.
Das kommt einer totalen Kapitulation gleich. Der vermeintliche Technologieführer gibt seine Plattform auf und begibt sich in den Schoß von Microsoft. Entsprechend aufgebracht waren die Reaktionen der Mitarbeiter und Entwickler, die bisher voll auf Nokias eigene Plattformen Qt, Symbian und MeeGo gesetzt hatten.
Kurz nachdem sein Chef diese totale Kapitulation vor dem iPhone bekanntgegeben hatte, hielt Nokias CTO Rich Green eine wirre Keynote, auf der er vor sich hin palaverte ohne Ziel, mit mehr oder weniger sinnvoll aneinander gereihten Durchhalteparolen, die die noch verbliebenen Nokia-Entwickler bei Laune halten sollten. Tenor: Bitte, bitte hört nich auf, für die alten Plattformen zu entwickeln, bis Nokia genügend Windows-Handys liefern kann. Das hinderte Green aber nicht daran zu erzählen, wie er, auch nachdem er vor 9 Monaten bei Nokia anfing, erst sein iPhone und jetzt das neue Microsoft-Handy den Nokia-Handys bevorzugt. Kann man deutlicher zum Ausdruck bringen, dass man an seine eigenen Worte nicht glaubt?
Vielleicht ist das auch der Grund, warum man so gar keinen Enthusiasmus bei ihm entdecken kann. Er glaubt anscheinend selbst nicht an die großen Chancen der alten Plattformen, von denen er den Entwicklern immer wieder sagt: Ergreift sie. Und so gerät seine Keynote zu einem Abhaken von Bullets auf seinen Folien.
Die sind übrigens schlimm. So voll gestopft mit Technik und Zahlen, dass auf jeder Folie noch einmal eigens die „Takeaway-Message“ genannt werden muss. Die ist dann bisweilen so einprägsam wie dieser Satz: „Our MeeGo device represents the continuation of the innovation expressed by our Linux based smartphones.“ Aha. Bei Apple lesen sich Takeaway-Messages so: „The world’s thinnest notebook.“ oder: „A thousand songs in your pocket.“ Konkret statt abstrakt.
Wer aber seine Zuhörer ernsthaft begeistern möchte mit schieren Zahlen – immer wieder spricht Rich Green von hunderten Millionen Symbian-Handys – und seinen Entwicklern „some great tools“ verspricht, anstatt auch nur einen handfesten Vorteil konkret zu benennen, der diese Tools so großartig macht, der hat nicht verstanden, wie emotionale Ansprache und Begeisterung funktioniert.
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