One Minute Madness – So geht’s

Bei größeren wissenschaftlichen Konferenzen finden in der Regel mehrere Vorträge parallel statt, um ein möglichst breites Themenspektrum abzudecken. Das bedeutet, dass sich die Besucher anhand des Programms und der Vortragstitel entscheiden müssen, welche Vorträge sie besuchen – und dabei auch das ein oder andere Mal eine schlechte Wahl treffen. In letzter Zeit kommt jedoch eine spannendere Methode in Mode: die One Minute Madness. Bei dieser Veranstaltung am Morgen eines jeden Tages, haben alle Vortragenden Gelegenheit, das Publikum in (ungefähr) einer Minute neugierig auf ihren Vortrag zu machen.

Vor kurzem erhielt ich einen Hilferuf für eine solche Veranstaltung, bei der es nur eine einzige Regel für die One Minute Madness gab:

Jede Präsentation dauert exakt 45 Sekunden und enthält genau eine Folie, die danach automatisch wechselt.

Grund des Hilferufs war diese offensichtlich ungeeignete Folie:

Vorher-Folie für die One-Minute-Madness-Präsentation

Die Folie wirkt ein bisschen, als versuche man, einen Film im Schnelldurchlauf zu schauen; alles Wichtige aus dem 30-minütigen Vortrag soll in die 45 Sekunden gepackt werden. Das ist hier jedoch schon alleine deswegen zum Scheitern verurteilt, weil man nicht den Hauch einer Chance hat, diese Inhalte in so kurzer Zeit überhaupt zu erfassen, geschweige denn zu verstehen (ganz abgesehen davon, dass man selbst bei starker Vergrößerung nicht einmal alle Inhalte entziffern kann).

Die gute Nachricht ist dabei: Wenn es möglich wäre, den Inhalt eines 30-minütigen Vortrags komprimiert in 45 Sekunden zu erzählen, dann wäre der Vortrag ja überflüssig. Daher gilt: in der One Minute Madness geht es einzig und alleine darum, Appetit zu machen auf den eigentlichen Vortrag und nicht darum, alles vorwegzunehmen. Genau drei Fragen sind also für die Zuhörer zu beantworten:

  1. Interessiert mich das Thema? Wenn ja:
  2. Wo und
  3. wann findet der Vortrag statt?

Klar ist damit: die Folie muss Ort und Zeit enthalten. Außerdem wird ein Aufhänger benötigt, der Spannung für den eigentlichen Vortrag weckt. Mehr nicht. Also reduziert sich die Aufgabe darauf, eine spannende Frage zu finden, die die Zuhörer neugierig auf mehr macht – und eben nicht darauf, sämtliche Inhalte möglichst komprimiert zu verpacken.

In dem gegebenen Fall war eine Analogie recht schnell gefunden: „stille Post“ (engl. chinese whisper). Wenn man das in eine kleine Geschichte verpackt, sind die 45 Sekunden schnell gefüllt. Nämlich so:

1. Ausgangslage: Laut Programmheft sind heute Teilnehmer aus mindestens 18 verschiedenen Ländern anwesend.
2. Problem: Ich habe mich gefragt: Wie würde man in diesem Rahmen wohl „stille Post“ spielen?
3. Lösung: Irgendwie müsste man sicher eine gemeinsame Sprache finden, wahrscheinlich wäre das Englisch.
4. Übertragung: Wir haben ein ähnliches Problem, wenn wir eine Netzwerkverbindung zwischen zwei Rechnern über viele verschiedene Netze hinweg reservieren möchten. Leider gibt es hier keine Weltsprache „Englisch“. Deswegen haben wir das System „Harmony“ entwickelt, das eine Vielzahl existierender Netzwerkreservierungssysteme nahtlos miteinander verbindet.
5. Einladung Wenn Sie diese Sprache lernen möchten, lade ich Sie zu meinem Vortrag um 16:45 Uhr im Raum „Ford“ ein.

Visualisieren kann man das auf verschiedene Weise, z.B. rein typografisch:

Nachher-Folie für die One-Minute-Madness:

Zu den größten Sorgen eines Wissenschaftlers zählt der Vorwurf, etwas nicht vollständig beschrieben zu haben. Bei der One Minute Madness geht es jedoch ganz bewusst um Unvollständigkeit und darum, bei den Zuhörern das Verlangen nach der vollständigen Informationen zu wecken. Und ja: das darf man ruhig „Werbung“ nennen.

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Eine Woche später

Sie haben Ihren Vortrag gerade hinter sich gebracht und ein ziemlich gutes Gefühl. Das wär’ schon ’was, dieser Auftrag; den hätten Sie gerne. Das Problem: Sie sind nicht der einzige, dem das so geht. Also heißt es erst einmal: abwarten.

Eine Woche später: Der Kunde steht vor seiner Entscheidung. Vor ihm liegen die Namen aller sieben Bewerber um den Auftrag. Jetzt lautet die entscheidende Frage: Woran erinnert sich der Kunde in diesem Augenblick (zuerst)? Anders gefragt: Wie lautet der Satz, der bei ihm hängengeblieben sein soll, wenn er an Ihren Vortrag denkt? Können Sie das für Ihren Vortrag benennen?

Wenn nicht, dann sollten Sie sich schleunigst darüber klar werden, denn wenn Sie es nicht wissen, wie soll dann die richtige Botschaft bei Ihrem Kunden ankommen (außer vielleicht zufällig). Wenn doch, dann können Sie Ihre Präsentation an diesem Maßstab noch einmal kritisch prüfen (und auch nach der Meinung anderer fragen): Bringt Ihre Präsentation genau diese Botschaft herüber? Dient alles, was Sie sagen und wie Sie es sagen diesem einen Satz?

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Wissen Sie, was ein Treppenhaus-Vortrag ist? Nein? Dabei haben Sie höchstwahrscheinlich selbst schon einmal einen gehalten. Stellen Sie sich vor:

Sie haben bis zuletzt noch an ihren Folien gearbeitet, um Ihren Zuhörern einen möglichst vollständigen Überblick über ihr Vortragsthema zu geben. Immerhin sitzt ihr Chef im Raum, und den wollen Sie nicht enttäuschen.

Rechtzeitig machen Sie sich also auf den Weg zum Vortragsraum. Auf halber Strecke begegnet Ihnen Ihr Chef: “Hallo Herr Meier, wie geht es Ihnen?” “Gut, ich habe einige interessante Ergebnisse, die ich gleich in meinem Vortrag berichten werde.” “Oh, ja richtig, ihr Vortrag. Es tut mir furchtbar leid, aber mir ist ein wichtiger Termin dazwischengekommen. Aber wir haben ja den selben Weg. Erzählen Sie mir doch kurz, was Sie herausgefunden haben!”

Können Sie das? Viel mehr als drei Sätze haben Sie nicht. Sie glauben nicht, wie viele Menschen auf diese Frage keine adäquate Antwort geben können. Die basteln also stundenlang an unzähligen Folien, können aber die Kernaussage nicht auf den Punkt bringen. Verschärft ausgedrückt wissen diese Menschen gar nicht, was sie eigentlich sagen wollen, reden aber beliebig lange darüber. Glauben Sie, dass diese Menschen ihre Ergebnisse in ihrem Vortrag überzeugend präsentieren werden?

Treppenhaus-Vorträge, im Englischen nennt man das übrigens Elevator Pitch, müssen wir übrigens ständig halten. Beim Kennenlernen auf Konferenzen (“Und was machen Sie?”), beim Vorstellungsgespräch (“Was haben Sie in dem Projekt gemacht?”), am Telefon (“Was sind denn genau die Vorzüge ihres Angebots?”) und vielen weiteren Gelegenheiten. Es lohnt sich also, einen Treppenhaus-Vortrag in der Tasche zu haben, den Sie bei Bedarf anwenden können. Und es tut auch ihren Vorträgen gut, wenn Sie auf den Punkt bringen können, was Sie eigentlich sagen wollen.

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Was bleibt: Einfaches

Damit die Zuhörer bei einer Präsentation etwas mit nach Hause nehmen, muss die Botschaft möglichst einfach verpackt werden. Das ist eines der 6 Prinzipien des Buches “Was bleibt“, das ich letzte Woche besprochen habe, und die Basis, auf der die anderen 5 Prinzipien aufbauen. Die Kernaussage der Autoren, Chip und Dan Heath, dazu ist:

Einfache Botschaften sind auf den Kern reduziert und kompakt.

Das hört sich leicht an, ist aber in der Praxis doch meist eine harte Nuss. Kern des Problems ist das, was die Heath-Brüder „Was bleibt“ den “Fluch des Wissens” nennen. Als Vortragender ist man normalerweise Experte für sein Thema, man ist sozusagen Wissender. Als Experte aber hält man nicht selten vieles für wichtig, was für ein erstes Verständnis absolut unwichtig ist. Wenn aber alles wichtig ist, dann ist nichts wichtig. Dann muss man Prioritäten setzen, um den Zuhörern eine Chance zu geben, die Idee zu verstehen. Denn nur dann haben sie auch eine Chance, die Idee auch zu behalten.

Wenn alles wichtig ist, ist nichts wichtigKernaussagen werden sichtbar, wenn sie auf das Wesentliche reduziert werden
Wenn alles wichtig ist, ist nichts wichtig! Ideen sind erst dann einfach, wenn sie auf das Wesentliche reduziert werden.

Das heißt andererseits natürlich nicht, dass jede Idee auch von jedem Zuhörer verstanden werden muss. Es geht nicht darum, Ideen zu banalisieren, Quantenphysik erfordert eben spezielle Kenntnisse. Aber auch Quantenphysik kann man kompliziert oder einfach formulieren und trotzdem exakt bleiben.

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Haben Sie manchmal das Gefühl, mit Ihrer Präsentation nicht so recht auf den Punkt zu kommen? Und haben Sie gelegentlich den Eindruck, dass deswegen ihre Botschaft nicht so recht bei Ihren Zuhörern ankommt? Vielleicht liegt das dann daran, dass Sie selbst Ihre Botschaft noch gar nicht so klar auf den Punkt gebracht haben, um sie auch anderen glasklar präsentieren können?

Eine sehr aufregende und enorm hilfreiche Übung, um das in Zukunft zu verbessern, finden Sie im neuesten Artikel des amerikanischen Blogs “Professionally Speaking“. Der Autor, Ian Griffin, schlägt dort vor:

Wenn Sie das nächste Mal eine Präsentation vorbereiten, dann sollten Sie versuchen, ihre Kernaussage in sechs Wörtern oder weniger zu formulieren.

Was auf den ersten Blick extrem und fast unmöglich klingt, ist auf den zweiten Blick eine effektive Übung, die auch noch Spaß macht. Unwichtig werden auf einmal die vielen kleinen Details, von denen man noch eben dachte, dass sie unbedingt auch noch “mit auf die Folie” müssen. Ich empfehle Ihnen dabei, solange an Ihrer Kernaussage zu feilen, bis sie damit wirklich zufrieden sind. Vielleicht ergibt sich so auch gleich noch ein viel pfiffigerer Titel für die Präsentation als der bisherige.

Die Idee ist übrigens inspiriert von einer Anekdote über Ernest Hemingway, der einst mit Kollegen um 10$ wettete, eine vollständige Geschichte in nur sechs Wörtern zu schreiben. Er gewann die Wette mit dieser Geschichte: “For sale: Baby shoes, Never worn.” (in deutsch sind das übrigens nur vier Wörter: “Zu verkaufen: Babyschuhe, ungetragen”)

Versuchen Sie es doch auch einmal: In sechs Wörtern zum Punkt kommen.

[Foto: pshutterbug, flickr]

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Dr. Michael Gerharz