Schlechte Diagramme und wie Sie Diagramm-Müll vermeiden

Zu Diagrammen wie dem nebenstehenden findet der amerikanische Statistiker Edward Tufte klare Worte: “Verzierungen, die nichts zum Verständnis eines Diagramms beitragen oder den Leser gar ablenken, sind Diagramm-Müll.” Tufte ist ein glühender Verfechter aussagekräftiger, aber zugleich leicht zu interpretierender Diagramme, denn nur so können aus den zugrundeliegenden Daten auch wertvolle Informationen gewonnen werden. Das abgebildete 3D-Säulendiagramm, das den Anteil der Kontinente an der Weltbevölkerung zeigt, ist weder aussagekräftig noch leicht zu lesen, es ist ein erstklassiges Beispiel für schlechte Diagramme. Zwar sehen die 3D-Säulen in Granittextur optisch nett aus, jedoch lenkt die unruhige Oberfläche vom Inhalt ab und der 3D-Effekt erschwert gar die Interpretation der Daten. Leben in Europa nun mehr oder weniger als 10% der Erdbevölkerung?

2D-Diagramm ohne Diagramm-Müll

Grundsätzlich gilt: Je einfacher ein Diagramm, desto leichter ist es zu interpretieren. Und das ist ganz im Sinne eines überzeugenden Vortrags. Denn wenn Sie Ihre Zuhörer überzeugen möchten, dann ist eine wichtige Grundlage dafür, dass Ihre Zuhörer Ihre Schlussfolgerungen auch verstehen und nicht das Gefühl haben, getäuscht zu werden – so wie durch die Perspektive der 3D-Balken die Größe des Asien-Balkens übertrieben wird.

Erheblich neutraler wäre eine 2D-Darstellung, die einen direkten Vergleich zwischen den Balken erleichtert. Wenn Sie dann noch sparsam mit Farben umgehen, statt für jeden Balken eine eigene Farbe zu verwenden, dann können Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer durch geschickten Einsatz von Akzenten auf die wichtigen Elemente des Diagramms lenken. Das sieht nicht nur seriöser aus, es ist auch besser zu interpretieren. Und bei geschickter Farbwahl sieht das auch noch nett aus.

Links zu dem Artikel
Besonders gruseliges Diagramm-Müll-Beispiel in Tuftes Blog (etwas weiter unten auf der Seite)
Bobby McFerrin und die perfekte Visualisierung
Junk Charts, ein Blog über gute und schlechte Diagramme

Die 1-7-7-Regel für PowerPoint-Folien

Jahresbudgets sind eine praktische Sache. Sie fördern Eigenverantwortung, bringen das Geld dahin, wo es benötigt wird und bedarfsgerecht ausgegeben werden kann und geben allen Beteiligten Planungssicherheit. Nur: Sparsamkeit fördern sie nicht. Budgets neigen dazu, ausgegeben zu werden. Wer am Ende des Jahres noch Geld übrig hat, sorgt schleunigst dafür, es auch noch rechtzeitig auszugeben – die Furcht, im nächsten Jahr weniger zu bekommen, steckt allen im Nacken. Wer ein Budget hat, gibt also statt maximal eher mindestens so viel Geld aus wie erlaubt, und so wird aus einer Maximalregel eher eine sinnentstellte Minimalregel.

Die 1-7-7-Regel für PowerPoint-Folien ist auch so eine sinnentstellte Regel. Was vielleicht einmal gedacht war, um das allerschlimmste zu verhindern, nämlich von oben bis unten mit ganzen Sätzen voll geschrieben Folien, hat sich mittlerweile verselbständigt und findet sich in unzähligen Präsentationsratgebern als sinnvolles Maß für die Textmenge auf Folien. Aus einer Maximalempfehlung ist auf diese Weise eine sinnentstellte Minimalregel geworden:

Die 1-7-7-Regel für PowerPoint-Folien: Häufig empfohlene Regel für übersichtliche Folien: Immer nur ein Gedanke pro Folie, Sieben Punkte/Folie, sieben Wörter/Zeile. Diese Folie folgt der 1-7-7-Regel. Haben Sie schon einmal einen Vortrag gehört, der aus solchen Folien bestand? Wie fanden Sie denn das?

Das Problem: diese Regel ist schlicht unbrauchbar und in den meisten Fällen ein schlechter Rat. Der Präsentationsexperte Andrew Abela bezeichnet in seinem Buch Folien mit sieben Zeilen à sieben Wörtern gar als „die schlimmstmöglichen Folien“. Aber wo kommt diese Regel eigentlich her? Vermutlich geht sie zurück auf die Fehlinterpretation einer wissenschaftlichen Veröffentlichung des Psychologen George Miller aus dem Jahr 1956: The Magical Number Seven, Plus or Minus Two: Some Limits on Our Capacity for Processing Information. In dieser Studie zeigte Miller, dass es anscheinend eine Grenze von ca. 7 (±2) Elementen gibt, die unser Arbeitsgedächtnis aufnehmen kann, z.B. sieben Ziffern, Wörter usw. (mittlerweile gibt es hierzu detailliertere Untersuchungen).

Wie auch bei Mehrabians Körpersprache-Studie beruht jedoch auch hier die Übertragung der Studienergebnisse auf Präsentationen auf einem grandiosen Missverständnis. Millers Regel sagt – wie der Autor selbst schreibt – nichts, wirklich gar nichts aus „über die Fähigkeit einer Person, gedruckte Texte zu verstehen.“ Der bekannte amerikanische Informationsforscher Edward Tufte bringt das so auf den Punkt:

Millers Regel sagt nichts über die Menge an Informationen aus, die in einer Präsentation gezeigt werden sollen (solange die Folien nicht aus nonsense-Silben bestehen, die das Publikum sich merken und einem Psychologen aufsagen soll).

So weit so gut. Aber dass Millers Erkenntnisse nicht auf Präsentationen übertragbar sind, bedeutet ja noch nicht, dass die 1-7-7-Regel nicht vielleicht doch sinnvoll sein könnte.

Ist sie aber nicht, und zwar aus einem einfachen Grund: Der Mensch ist nicht besonders gut im Multitasking. Zwar können wir unterschiedliche Tätigkeiten gut parallel ausführen, z.B. können wir uns unterhalten, während wir spazieren gehen. Wir können auch Bilder betrachten und gleichzeitig einem Text zuhören, z.B. wenn wir einen Film ansehen. Diese Tätigkeiten benutzen aber jeweils unterschiedliche Kanäle in unserem Gehirn. Wir können aber nicht zwei Tätigkeiten in demselben Kanal gleichzeitig durchführen. Und genau das ist gefordert, wenn auf Folien viel Text steht. Das Publikum muss dann dem Vortragenden zuhören und gleichzeitig die Texte lesen, also zwei Tätigkeiten durchführen, die denselben Kanal verwenden.

Pasted Graphic

Der Biologe John Medina setzt in seinem Buch Brain Rules noch eins drauf: Menschen sind offenbar nicht in der Lage, überhaupt ihre Aufmerksamkeit verschiendenen Dingen gleichzeitig zuzuwenden. D.h. wenn wir Dinge gleichzeitig tun, dann tun wir nur eines davon bewusst, die anderen unbewusst. Medina bringt das auf den Punkt:

Um es ganz offen zu sagen: Die Wissenschaft zeigt, dass wir nicht multitaskingfähig sind. Wir sind biologisch unfähig, mehrere aufmerksamkeits-intensive Einflüsse gleichzeitig zu bearbeiten.

Das wichtigste Argument, das häufig für die 1-7-7-Regel genannt wird, nämlich dass die Stichpunkte eine prägnante Betonung der wichtigsten Inhalte einer Präsentation darstellen, ist damit völlig wertlos, weil das Publikum sie gar nicht angemessen verarbeiten kann. Das bedeutet dann wohl im Umkehrschluss, dass die einzige Möglichkeit, 1-7-7-Folien überhaupt sinnvoll einzusetzen, darin besteht, sie vorzulesen. Wer aber so etwas schon einmal erlebt hat, der wird sich mit ziemlicher Sicherheit an dieses Gefühl erinnern:

langweilig - über die 1-7-7-Regel eingeschlafen

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Dr. Michael Gerharz