Ein Windows ohne Fensterbrüller
Ein Unternehmen von der Größe Microsofts krempelt man nicht mal so eben um. Mit dem Start von Windows 8 versucht Microsoft aber genau das. Seit Jahresbeginn hat sich das Unternehmen ein komplett neues Erscheinungsbild gegeben, alle wichtigen Produkte im neuen Design neu aufgelegt und mittlerweile baut es gar Computer, die Surface-Tablets.
Mich beeindruckt, wie radikal Microsoft dabei vorgeht: Klare Linien statt kreisch-bunter Vista-Oberflächen. Anders als so mancher Konkurrent äffen sie dabei nicht einfach nach, was Apple vormacht. Sie entwickeln ihr Design und setzen es konsequent über alle Produkte um.
Ob das neue Windows etwas taugt, weiß ich (noch) nicht. Aber zur Präsentation kann ich etwas sagen. Und die war leider nicht so mutig wie die neuen Produkte.
Auch wenn sie erheblich größer daherkam, Microsofts Präsentation war eine typische (und das meine ich nicht im besten Sinne) PowerPoint-Präsentation: Bullet-Points, langweilige Dramaturgie und viel erklären, wenig zeigen. Der Reihe nach:
Eine Aufzählung ist eine Aufzählung ist eine …
Auch wenn sie sich viel Mühe mit ihrem Design geben, PowerPoint ist offenbar zu tief in Microsofts DNA verankert. Im Vergleich zu früher sind die Folien zwar schlichter, aber: eine Aufzählung ist eine Aufzählung ist eine Aufzählung ist … langweilig (dass sie die Punkte vor der Aufzählung weglassen, macht es auch nicht besser). Storys: Keine. Roter Faden: ja, aber Spannungsbogen: leider nein. Starke Bilder: Fehlanzeige.
So entstehen keine Bilder im Kopf. Microsoft nennt zwar viele, viele Vorteile von Windows 8. Aber was das für mich bedeutet, muss ich mir schon selber überlegen. Vergleichen Sie mal, wie Microsoft die neue Tablet-Version von Windows präsentiert, und wie Amazons den Kindle präsentiert. Bei Microsoft: Aufzählung und Fakten. Bei Amazon: Starke Bilder und Alltags-Situationen, die auf einen Blick den Produktvorteil zeigen, statt ihn bloß zu sagen.
Das Problem: Es gab keinen Fensterbrüller
»Fensterbrüller« ist ein anderes Wort für »Küchenzuruf« und den hat sich Microsoft offenbar nicht richtig überlegt. Vorteile zählen sie viele auf, allein: hängen bleiben sie bei mir nicht. Was soll ich meinem Nachbarn aus dem Fenster zubrüllen? Was meiner Frau in die Küche zurufen? Da ist sich Microsoft offenbar selbst nicht sicher. »Windows re-imagined« ist der schwache kleinste Nenner, den die Werbespots rufen. Vergleichen Sie das mal mit Apple. Die neuen MacBook Pros? Retina-Display. MacBook Air? Das dünnste Laptop der Welt.
Wer seinen Küchenzuruf kennt, der findet die passenden Bilder. Steve Jobs zog damals das MacBook Air aus einem Briefumschlag. Die Botschaft: Das Gerät ist so dünn, es passt sogar in einen Umschlag. Doch Microsoft konnte sich nicht dazu durchringen, die eine entscheidende Botschaft auf den Punkt zu bringen. Und so bestätigt die Präsentation den Eindruck, den so mancher Test ergab: ambitioniert, vielversprechend, aber noch nicht am Ziel.
Ballmers Freud war groß
Ein echtes „Highlight“ gab es dennoch. Kurz vor Ende der Präsentation unterlief Microsofts Chef, Steve Ballmer, eine üble Freud’sche Fehlleistung, indem er sagte: »You will absolutely not love Windows 8«. Das sollte bei einer so wichtigen Präsentation nicht passieren.
Na gut, das sei ihm verziehen. Schlimmer finde ich ohnehin, dass anscheinend die guten alten Zeiten der Rampensau-Werbung vorbei sind. So wie dieses Windows-95-Promo-Video, das Microsoft seinerzeit an Händler verschickte. Oder dieser Spot mit Steve Ballmer zur Windows-XP-Einführung:
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