Regelmäßig nutzen die großen Nachrichtenmagazine den allgemeinen PowerPoint-Frust, um in einem Artikel entweder das Übel anzuprangern oder die Gralsbringer der PowerPoint-Alternativen anzupreisen. Am Wochenende versuchte sich der Spiegel wieder in letzterem. Wie war ich von dem Artikel frustiert. Im Einzelnen:
„Einige Studenten tüfteln lange an der perfekten Powerpoint-Präsentation,“
Das ist gut.
„den Studenten Philipp von Hammerstein, 20, beeindruckt das nicht.“
Wer war noch mal dieser Philipp von Hammerstein?
„Er findet diesen Vortragsstil sogar ziemlich langweilig. Folie für Folie, Chart für Chart.“
Die meisten Präsentationen sind so – leider – und zwar unabhängig davon, ob sie mit PowerPoint, Prezi, Flip-Chart oder sonst irgendetwas vorgetragen werden.
„[…] Für seine Präsentationen an der Uni suchte er im Netz nach Alternativen und fand Prezi. „Tolle Sache“, lautet sein Fazit nach rund 15 Präsentationen.“
Wer war noch mal dieser Philipp von Hammerstein?
„Das webbasierte Programm folgt nicht dem klassischen Präsentationsansatz der Diashow, sondern setzt auf eine Art virtuellen Rundgang durch eine Mindmap. […] ’Diese Auffassung von der Präsentation als unbegrenzte Ideensammlung ist das wirklich Neue an Prezi’, sagt Dorothee Wiegand von der Computerzeitschrift „c’t“.“
Wenn es einen Grund gibt, PowerPoint und nicht dem Vortragenden die Schuld für schlechte Vorträge in die Schuhe zu schieben, dann ist es wahrscheinlich die Tatsache, dass PowerPoint von Ingenieuren und Programmierern entwickelt wurde und nicht von Rhetorikern, Dramaturgen und Designern. Und wenn der Spiegel jetzt eine Redakteurin einer Technikzeitschrift zu Rate zieht, dann verheißt das nichts Gutes (Nichts gegen c’t, ich war selbst lange Zeit interessierter Leser. Auch nichts gegen Informatik, das hab ich ja selbst studiert.).
Aber zur Sache: Die unbegrenzte Präsentationsfläche ist sicher eine der attraktivsten Angebote von Prezi. Umgekehrt ist gerade die wenig zielgerichtete „Ideensammlung“ auf Bullet-Point-Folien einer der Gründe, warum PowerPoint-Präsentationen oft so ermüdend sind. Die Nutzer packen alles, was sie zu einem Thema wissen auf die Folien. Warum sollte die „unbegrenzte Ideensammlung“ bei Prezi da anders sein? Gute Vorträge hält nur, wer sich über seine Botschaft klar wird, einen interessanten roten Faden findet und seine Informationen klar und verständlich strukturiert – und zwar unabhängig vom Werkzeug.
„In der Praxis sieht die Arbeit mit Prezi vor allem bunt aus:“
Oh ja.
”[…] Wie bei einer Kamerafahrt schwenkt das Programm von Aspekt zu Aspekt und zoomt je nach Bedeutung der einzelnen Punkte stärker herein.“
Oooh ja – oh nein.
„Ein Nachteil: Es gibt keine direkte Excel-Anbindung. “Tabellen lassen sich nicht so bequem einbinden”, erklärt Wiegand.“
Wie gesagt: Techniker. Also wenn die fehlenden Excel-Tabellen das einzige Problem von Prezi sind, dann frag’ ich mich doch, warum ich so viele nervende Prezis sehe.
„[…] Bei Programmen à la Powerpoint könne man sich an den Folien entlanghangeln, sagt Philipp von Hammerstein.“
Wer war noch mal dieser Philipp von Hammerstein?
„Bei Zooming-Presentations müsse der Vortrag freier und flexibler gestaltet werden. “Der Redner muss sich in seinem Thema sehr gut auskennen.” Wer beim Vortragen schüchtern sei, für den seien solche Programme weniger geeignet.“ “
Wer sich in seinem Thema nicht sehr gut auskennt, sollte sich vor allen Dingen erst einmal mit seinem Thema beschäftigen, bevor er die Zeit anderer bei schlechten Vorträgen stiehlt. Wer sein Thema nicht gut kennt, der macht schlechte Vorträge, unabhängig vom verwendeten Werkzeug.
„Dorothee Wiegand sieht die Grenzen von Zooming Presentations auch in der Zielgruppe: Diese Art der Präsentation sei “hipp, cool und jung”, sagt sie und eigne sich daher eher für für [sic!]kreative Branchen, beispielsweise in der Werbung. Eine Business-Präsentation mit vielen Zahlen würde sie damit eher nicht machen.“
Ach ja, Excel fehlt ja, also kann man mit Prezi keine seriösen Business-Präsentationen machen, sondern nur hippe Präsentationen von Kreativen. Was für ein Quatsch ist das denn? Gerade diese Business-Präsentationen sind es doch, die den PowerPoint-Frust verursachen. Und als ob es nicht auch coole Typen außerhalb der Werbebranche gibt.
Ich schimpfe ja oft genug über Prezi. Aber sicher nicht, weil man damit nicht sinnvoll Zahlen präsentieren könnte. Viele Zahlen sind eh nichts für Folien. Wenn ich für meine Kunden nach sorgfältiger Abwägung eine Prezi erstelle, dann deswegen, weil sich das Thema dafür eignet, nicht weil die Zielgruppe hippe Träumer sind, die eh nicht an seriösen Informationen interessiert sind.
Der Rest des Spiegel-Artikels ist belangloses Geplänkel über Online-Alternativen zu PowerPoint (SlideRocket ist zweifellos ein nettes Werkzeug).