Strichmännchen zeichnen lernen (Ein kleiner Zeichenkurs)

Ich habe mich geärgert. Es gibt mittlerweile viele Bücher, die zeigen, wie man mit Hilfe von (einfachen) Zeichnungen komplexe Zusammenhänge häufig besser verstehen und erklären kann, allen voran Dan Roams Bestseller Auf der Serviette erklärt. All’ diese Bücher ködern auf die gleiche Weise:

Zeichnen ist ganz einfach. Wenn Sie Striche und Kreise malen können, besitzen Sie bereits alles, was Sie brauchen.

Das stimmt auch – im Prinzip. Und doch steckt der Teufel, wie so oft, im Detail. Die ersten Versuche wirken doch irgendwie unbeholfen. Es fehlen anfangs die Ideen, um die Zeichnungen auf den Punkt zu bringen. Nicht selten lautet schnell das erste Fazit: “Ich bin eben doch kein visueller Typ.”

Darüber habe ich mich geärgert. Denn nur wenige Bücher geben anschauliche Tipps, wie man aus den Kreisen und Strichen denn nun wirklich einfach brauchbare Zeichnungen macht (gelungene Ausnahme: Menschen grafisch visualisieren). Das möchte ich ändern. In unregelmäßigen Abständen wird es daher an dieser Stelle Tipps geben, um mit einfachen Strichen und Kreisen aussagekräftige Zeichnungen zu erstellen. Beginnen wir damit, wie man einfach Strichmännchen zeichnen lernen kann.

Strichmännchen zeichnen lernen

Meine jüngste Tochter ist jetzt acht Wochen alt und kann seit wenigen Wochen lächeln. Das tut sie immer dann, wenn sich jemand über sie beugt. Genauer gesagt tut sie es immer dann, wenn sich etwas halbwegs rundes oder ovales über sie beugt, also so etwas wie ein Kopf oder auch ein Luftballon. Offenbar ist das wichtigste menschliche Erkennungsmerkmal für meine Tochter die runde Kopfform.

Los geht’s. Vier Köpfe, also halbwegs runde oder ovale Dinge, kann nun wirklich jeder zeichnen.

Vier Kreise repräsentieren vier Köpfe

Schreiben Sie Namen daran, und schon haben Sie Ihr Projekt-Team visualisiert.

Die Augen

Seit kurzem erkennt meine Tochter auch Augen. Wenn ich zwei Punkte auf den Luftballon male, dann lächelt meine Tochter den Luftballon an.

Und wenn Sie zwei Augen in die vier Köpfe malen, dann erwachen die Köpfe plötzlich zum Leben. Lassen Sie die Köpfe z.B. nach oben, nach unten oder zur Seite blicken:

Ein Paar Augen lassen die Köpfe in verschiedene Richtungen blicken

Die Körperhaltung

Interessant wird es, wenn Sie Ihren Köpfen einen Körper spendieren. Dazu reicht oft schon ein einziger Strich. Und schon beugt sich die zweite Figur nach hinten, um ganz weit nach oben zu blicken – z.B. um die Größe des höchsten Turmes der Welt oder den Effizienzvorteil eines neuen Produktionsverfahrens zu veranschaulichen. Die dritte Figure ist dagegen mit gebeugter Haltung offensichtlich deprimiert, vielleicht weil sie die Quartalsziele nicht erreicht hat oder weil Deutschland das Halbfinale der WM verloren hat. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf.

Die Körperhaltung kann oft durch einen einzigen Strich verdeutlicht werden

Arme und Beine

Wenn Sie jetzt noch acht Striche ergänzen, bekommen Ihre Menschen Arme und Beine und können sich beliebig bewegen. Sie können z.B. die Arme in die Hüfte stemmen oder zielstrebig auf etwas zugehen. Sie könnten genauso laufen oder springen, auf etwas zeigen oder die Arme jubelnd in die Höhe strecken.

Versuchen Sie doch einfach selbst einmal ein paar Variationen. Denken Sie dabei daran, dass Ellbogen und Kniegelenke nicht beliebig dehnbar sind. Beobachten Sie, wie Sie selbst Ihre Gelenke halten, wenn Sie sich bewegen. Und zeichnen Sie die Augen immer so, dass sie die Bewegung unterstützen. Lassen Sie z.B. Ihre Menschen nach rechts blicken, wenn sie nach rechts gehen und nach links blicken, wenn sie nach links zeigen.

Mit wenigen Strichen ergänzt man Gliedmaße, so dass sich die Figuren bewegen können

Jetzt Sie! – Zeichnen Sie Ihre eigenen Strichmännchen

Meist reichen offensichtlich wenige Striche, um Figuren zum Leben zu erwecken. Und tatsächlich bin ich mir sicher, dass Sie die Strichmännchen, die ich oben gezeichnet habe, auch selbst zeichnen können – und noch viel mehr. Sie müssen nur einen Stift in die Hand nehmen (am besten jetzt gleich) und anfangen. Und dann natürlich immer mal wieder ein bisschen üben, z.B. wenn Sie in einem langweiligen Meeting sitzen oder am Telefon mal wieder in der Warteschleife hängen. Fünf Minuten am Tag finden Sie doch bestimmt, oder?

Verwandte Artikel
Sie sollten Zeichnen lernen
Beispielpräsentation mit der Auf-der-Serviette-erklärt-Methode
Buchempfehlung: Dan Roams “Auf der Serviette erklärt”
Zeichnen lernen

Wie groß ist ein Grippevirus?

Schneidermaßband

Jeder hat eine ungefähre Vorstellung davon, wie groß 10cm sind. Oder 1cm. Oder 1m. Es sind Größen, die wir aus unserer unmittelbaren Erfahrungswelt kennen. Für alle diese Größenordnungen fallen uns Gegenstände ein, von denen wir wissen, dass sie ungefähr diese Längen haben.

Was aber, wenn eine Größe tausend mal kleiner ist, als alles, was wir noch gerade so erkennen können?

Das gesunde menschliche Auge kann ohne technische Hilfsmittel unter optimalen Bedingungen Dinge bis zu einer Größe von etwa 0,1mm erkennen. Ein Salzkorn ist etwa 0,5mm groß, etwa fünfmal kleiner und damit zumindest prinzipiell gerade noch erkennbar ist die menschliche Eizelle.

Kind schaut in ein Mikroskop

Alles, was noch kleiner ist, können wir nicht mehr erkennen, geschweige denn Aussagen über Form und Gestalt treffen. Ein rotes Blutkörperchen ist z.B. knapp hundertmal kleiner als ein Salzkorn, ein Grippevirus etwa tausendmal kleiner als eine menschliche Eizelle.

Um solch kleine Strukturen sichtbar zu machen, helfen Mikroskope. Durch die immer weitere Perfektionierung dieser Technik ist uns heutzutage die Gestalt vieler mikroskopisch kleiner Strukturen vertraut. Die meisten von uns haben sogar selbst einmal im Biologieunterricht Pantoffeltierchen und andere Einzeller unter dem Mikroskop untersucht. Aus den Medien sind uns sogar Strukturen bis hin zur Atomgröße vertraut.

Wie klein aber sind solche kleinen Sturkturen?

H1N1-Influenzavirus

Es ist eine Sache, die Struktur mikroskopisch kleiner Welten wie z.B. des hier abgebildeten H1N1-Virus sichtbar zu machen. Wenn es aber darum geht, ein Gefühl dafür zu geben, wie klein klein eigentlich ist, helfen solche Darstellungen nicht weiter.

Eine sehr anschauliche Antwort auf diese Frage hat das Genetic Science Learning Center der Universität von Utah gefunden. Mit dieser interaktiven Animation kann man sich in die Welt der Mikroorganismen hineinzoomen. Beginnend bei einer Kaffeebohne taucht man durch einfaches Bewegen eines Schieberegler immer tiefer ein in die Welt der Mikroorganismen, über eine Salzkorn, Amöben, Hautzellen, Viren bis hin zu einzelnen DNA-Bestandteilen.

Die Animation ist nicht nur anschaulich, sie macht auch Spaß. Klicken Sie sich unbedingt selber durch.

Und warum funktioniert das so gut?

Warum sind wir fasziniert von Darstellungen wie diesen? Weil wir – anders als bei drögen Aufzählung von Fakten – auf eine kleine Abenteuerreise gehen. Jeder, der den Schieberegler bedient, taucht auf seine eigene Weise in die Welt der Mikroorganismen ein, erkennt Dinge wieder, vergleicht, schiebt vor und zurück, wundert sich und findet Erklärungen. So stecken in dieser Animationen viele kleine Geschichten. Und genau dann ist eine Visualisierung besonders gut gelungen: Wenn sie nicht nur die Fakten präsentiert, sondern wenn sie die Fakten zu einer spannenden Geschichte verknüpft, an die man sich auch erinnert.

[Nachtrag, 24.11.2015: Heute sind Animationen wie diese mit Prezi oder der Morph-Funktion in PowerPoint auch in Präsentationen zumindest prinzipiell umsetzbar und ein Beispiel für den sinnvollen Einsatz dieser Funktionen.]

Die vier Prinzipien professionellen Designs

In ihrem hervorragenden Buch Design & Typografie behauptet Robin Williams, jeder könne ein besserer Designer werden, wenn er vier Prinzipien berherzigt: Nähe, Ausrichtung, Wiederholung, Kontrast. Wie einfach es tatsächlich ist, durch Anwendung dieser vier Regeln ein völlig langweiliges Design in ein ansprechendes und interessantes Design zu verwandeln, möchte ich Ihnen an einem Beispiel vorführen, das ich schrittweise anhand der Regeln überarbeite.

Als Ausgangspunkt dient die fiktive Titelfolie eines PowerPoint-Vortrags, die so schlecht ist, dass sie in einem typischen Vortrag nicht weiter auffallen würde – unübersichtlich, chaotisch und hässlich:

Beispiel-Titelfolie: Langweilig und ungeordnet

Zwar lässt sich der Titel gut lesen, aber die übrigen Angaben sind über die Folie verstreut, so dass das Auge nicht weiß, wohin es zuerst blicken soll; man erkennt keine Hierarchie und springt zwischen den einzelnen Elementen hin und her. Mit Williams’ vier Prinzipien lässt sich diese Folie so umwandeln, dass sie übersichtlich, professionell und nett anzusehen ist. Gestalterische Meisterwerke brauchen vielleicht noch etwas mehr Übung. Aber als übersichtlich, professionell und einigermaßen ansprechend sind für die meisten Präsentationen angemessene Ziele.

Gestaltungsprinzip 1: Nähe

Das Gestaltungsprinzip der Nähe besagt, dass Elemente, die inhaltlich zusammengehören, auch räumlich nah angeordnet werden sollen. Bei Pro-/Contra-Argumenten käme niemand auf die Idee, die Argumente wild auf der Folie zu verstreuen. Sobald es aber weniger offensichtlich wird, ist das Prinzip der Nähe für viele nicht vertraut. Das Prinzip macht die logische Struktur der Elementen eines Designs sichtbar. Auf dieser Folie gibt es drei Arten von Informationen: Informationen zum Titel, Informationen zum Vortragenden und Informationen zum Ort. Und tatsächlich, wenn wir als einzige Änderung die räumliche Anordnung der Elemente anpassen, sieht das Layout geordneter aus. Nicht schön, aber ein klein wenig übersichtlicher:

Prinzip Nähe: Räumlich anordnen nach inhaltlicher Zusammengehörigkeit

Gestaltungsprinzip 2: Ausrichtung

Das Gestaltungsprinzip der Ausrichtung besagt, dass kein Element auf einer Seite willkürlich angeordnet werden soll. Durch eine einheitliche Ausrichtung der Elemente verstärken Sie deren Zusammengehörigkeit. Gerade wenn es um Überschriften und Titel geht, wird sehr oft eine zentrierte Ausrichtunge gewählt, sie ist aber nicht die Wirkungsvollste. Zwar ist Symmetrie ein naheliegendes Formprinzip, es wirkt aber auch schnell langweilig und förmlich. Wenn Sie eine links- oder rechtsbündige Ausrichtung wählen, wirkt das Design noch aufgeräumter, weil Sie eine unsichtbare Verbindunglinie erzeugen, die die Zusammengehörigkeit, in anderen Worten die Einheit des Designs verstärkt:

Prinzip Ausrichtung: Elemente nicht willkürlich anordnen

Gestaltungsprinzip 3: Wiederholung

Das Gestaltungsprinzip der Wiederholung besagt, dass bestimmte Gestaltungselemente innerhalb eines Designs wiederholt werden sollen. Wiederholung stärkt den Wiedererkennungswert eines Designs. Durch wiederkehrende Elemente wie z.B. gleiche Schriften, Farben, Betonungen etc., findet sich das Auge leichter zurecht, der Aufbau des Designs wird strukturierter. Wenn Sie Abteilung A auf einer Folie grün kennzeichnen, sollten Sie dabei bleiben, solange es keinen starken Grund für eine andere Farbe gibt. Besonders hilfreich ist das Prinzip natürlich bei größeren Dokumenten, einmal gelerntes bleibt über viele Folien hinweg verständlich. Wenn sich über sämtliche Folien eines Vortrags hinweg bestimmte Gestaltungselemente, etwa zur Betonung, wiederholen, kann sich der Betrachter schneller orientieren. Aber auch auf einer einzelnen Folie lässt sich die Wirkung durch Wiederholung erkennen. Wenn wir die wichtigsten Informationen hervorheben, dann tun wir das auf stets gleiche Weise und wählen nicht jedesmal eine neue Schriftgröße und -farbe etc.:

Prinzip Wiederholung: Wiederholungen stärken die Einheit eines Designs

Gestaltungsprinzip 4: Kontrast

Das Gestaltungsprinzip des Kontrasts besagt, dass sich zwei Elemente, die sich nicht gleichen, deutlich unterscheiden sollen. Mit anderen Worten: Sei kein Frosch! Die deutliche Betonung wichtiger Elemente macht ein Design interessanter und weckt somit die Bereitschaft, genauer hinzuschauen. Es hilft auch bei der Strukturierung der Informationen, indem wichtige von unwichtigeren Inhalten besser getrennt werden und so eine klare Hierarchie vorgegeben wird, in der die Informationen zu betrachten sind. Wenn wir die Schriftunterschiede vergrößern und Farbe zur Erhöhung des Kontrastes einführen, wirkt die Folie noch einmal übersichtlicher, professioneller und ansprechender:

Prinzip Kontrast: Kontraste machen ein Design interessanter

Vier einfache Gestaltungsprinzipien für Design, die die Wirkung einer Folie drastisch erhöhen und sie erheblich übersichtlicher machen, ohne dass eine einzige Informationen gestrichen worden wäre. Dazu gehört keine Zauberei, sondern einfach ein bisschen Sorgfalt bei der Anwendung der vier Prinzipien und ein wenig Mut bei deren Umsetzung: Sei kein Frosch. Probieren Sie einfach einmal ein bisschen aus. Sie werden sehen, welch erstaunliche Wirkung Sie mit ganz einfachen Mitteln erzielen, wenn Sie sich nur trauen. Haben Sie keine Angst vor Freiflächen, oft sind es gerade die (bewusst) ungenutzten Flächen, die ein Design interessant machen. Und schließlich: Die Prinzipien schränken die Kreativität nicht ein, sondern geben ihr ein geordnete Fläche. Durch Anwendung derselben vier Prinzipien kommt zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Hier sind nur ganz wenige der unzähligen möglichen Layouts:

Fertiges Beispiel 1: Andere Schrift und kleine SymboleFertiges Besipiel 2: Rechtsbündig
Fertiges Besipiel 3: Kontrast durch zweifarbigen HintergrundFertiges Besipiel 4: Auch Serifenschriften können funktionieren

Spread the Word

Picture of Dr. Michael Gerharz

Dr. Michael Gerharz