Als Günter Kech, Geschäftsführer des Messtechnikherstellers VEGA, vor knapp zwei Jahren aus dem Weihnachtsurlaub zurück kam, stand für ihn fest: »Wir brauchen eine neue Präsentationskultur.« Klare Aussagen, starke Bildsprache, Geschichten erzählen statt der, so Kech, bisher »typisch deutschen VEGA-Präsentationen: sehr gründlich, total strukturiert und völlig langweilig.«
Kein leichtes Unterfangen in einem Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern auf der ganzen Welt. Doch seitdem hat sich viel getan. VEGA weiß mittlerweile, wie man überzeugende Leistungen auch überzeugend darstellt.
Wie wir das gemeinsam geschafft haben und welche Erfahrungen die VEGA-Mitarbeiter in dem Prozess gemacht haben, lesen Sie in dem ausführlichen Erfahrungsbericht.
Der eine Raum unscheinbar. Ein kleiner Mann, Sakko, weißes Hemd, mannshohe Projektionsfläche.
Der andere Raum schon gar kein Raum mehr, vielmehr eine riesige Halle mit drei gewaltigen Kinoleinwänden. Ein Kammerorchester neben der riesigen Bühne, ein Magier, ein Regisseur von Weltrang, ein Zeremonienmeister und viele Manager in Abendgarderobe.
Die eine Präsentation spannend, die andere langatmig, ja langweilig. Was glauben Sie: welche ist welche?
Alltag oder Magie?
Die eine Präsentation startet mit einem kurzen Film. Er beginnt mit den Worten: „We’re the people with the smile on the box.“ und zeigt dazu die Bilder eines Amazon-Pakets, das zuhause abgeliefert wird.
Die andere Präsentation startet mit einem Magier, der zu Orchestermusik ein paar Kartenspielertricks vorführt. 9 Minuten später fragt der Zeremonienmeister: »Shall we begin?«
Was glauben Sie: Was spricht das Publikum mehr an?
Alltag oder Kunst?
Auf der einen Bühne erklärt Amazon-Chef Jeff Bezos, dass die neuen Kindles besseren Wlan-Empfang haben, damit HD-Filme schnell genug geladen werden. Er zeigt, wie eine neue Bildschirm-Technologie die Lesbarkeit im Sonnenlicht verbessert. Jeder, der schon einmal auf einen Download gewartet oder im Freien auf ein Display geschaut hat, kann sich in diese Situationen hineinversetzen.
Auf der anderen Bühne zeigt der »Kreativitätsbotschafter für das Galaxy Note«, Wim Wenders, wie ein paar Studenten einen Kunstfilm »Recreate Berlin« gedreht haben, in dem Berlin gar nicht neu erfunden wird. Und ein Samsung-Manager im Anzug erklärt, dass in jedem (auch in ihm?) Kreativität stecke, die nur frei gelassen werden müsse. Große Worte, aber kann sich da jemand hineinversetzen? Es folgen etliche Filme, in denen ein Magier neue Samsung-Geräte (im wahrsten Sinn des Wortes) aus dem Hut zaubert.
Was glauben Sie, womit kann man sich besser identifizieren?
Special-Effects oder gute Story?
Samsung setzt auf den Wow-Effekt. Amazon auf den Aha-Effekt. Deshalb braucht Amazon den ganzen Pomp von Samsung nicht, der verpufft, weil der Aha-Effekt aufgesetzt wirkt und manchmal ganz fehlt. Wie bei Actionfilmen: gute Special-Effects mögen nett aussehen, aber ohne gute Story bleibt der Film öde.
Und warum funktioniert Amazons Präsentation? Weil Jeff Bezos sich von der ersten Minute an bemüht, den Zuschauer (bzw. den Kunden) in den Mittelpunkt zu stellen. Er schafft Bilder, in die wir uns hineinversetzen können. Wir alle haben schon einmal ein Amazon-Paket erhalten. Und jeder hat sich schon einmal darüber geärgert, dass er sein Handy-Display im Sonnenlicht nicht lesen konnte.
Amazon macht so den Zuschauer – jeden einzelnen – zum Helden, weil wir uns mit den Situationen identifizieren können. Samsungs Helden sind Künstler und Manager im Anzug, und nicht einmal echte Promis. Wir wollen kein Wim Wenders sein, auch kein Magier (jedenfalls die meisten nicht).
Wenn Ihre Präsentation spannend sein soll, brauchen Sie einen Helden, mit dem sich ihr Publikum identifizieren kann. Sie brauchen keinen teuren Wow-Effekt, sondern einen echten Aha-Effekt.
Mein Onkel war Koch. Einmal im Jahr kochte er für uns und eine befreundete Familie ein Festmahl. Irmgard, die Freundin meiner Mutter, wollte immer sehr genau wissen, was wir genießen durften. Und mein Onkel war nie verlegen um eine blumige Umschreibung.
An einen Abend erinnere ich mich besonders gut: Es gab zum Hauptgang Geflügel, im Ofen zubereitet in einer besonderen Kräutersauce mit sehr dunkler Farbe und recht dicker Konsistenz. Auch hierfür wollte Irmgard eine genaue Erklärung. Also erklärte mein Onkel, der damals in der Schweiz lebte und arbeitete:
„Wir essen heute Schweizer Moorente. Eine sehr seltene Art der Tauchente, die nur im Winter in der Schweiz lebt. Ich habe sie zubereitet mit den typischen Kräutern der Schweizer Seenlandschaften. Das ist in Schweizer Spitzenrestaurants eine absolute Delikatesse und jeder, der die Luzerner Gegend besucht, sollte unbedingt einmal Schweizer Moorente bestellen. Ihr Fleisch ist besonders zart und ist untermalt von einer besonders würzigen Note, überhaupt nicht vergleichbar mit herkömmlichem Entenfleisch aus dem Supermarkt …“ und so weiter und so fort.
Die Vorstellungskraft isst mit
Das Festmahl war ein wahrer kulinarischer Hochgenuss. Hoch lobten alle die geschmackliche Fülle der Entenzubereitung, die sich gerade mit den typisch Schweizer Kräutern entfaltete. Meine Eltern und unsere Freunde wollten einfach alles über die Schweizer Moorente erfahren.
Erst nach dem Menü klärte mein Onkel uns auf, dass es sich um ganz herkömmliches Hühnchenfleisch handelte, zubereitet mit einer Kräutermischung aus Thymian, Estragon und Petersilie, die besonders intensiv in der Sauce eingekocht wurde. Aber was doch die richtige Geschichte in den Köpfen anrichten kann …
(Übrigens: Die Moorente ist eine höchst seltene Entenart, die in Deutschland auf der Roten Liste der bedrohten Brutvogelarten steht.)
Wir unterhalten uns auf einer Party über fesselnde Vorträge. Schnell kommt das Gespräch auf Uni-Vorlesungen. Einer erzählt:„Professoren sind da ja auch ganz unterschiedlich. Bei mir gab es die einen, bei denen schläft man einfach nur ein. Und irgendwann fragt man sich, ob man überhaupt noch hingehen soll. Aber es gab auch die anderen. Die haben es geschafft, selbst Fächer, für die ich mich überhaupt nicht interessiert habe, total spannend zu machen.“
Ich frage ihn: „Kann es sein, dass das genau die Professoren waren, die Geschichten erzählt haben, statt einfach nur Faktenwissen zu vermitteln?“
Er denkt kurz nach: „Stimmt genau. So war es. Man hat irgendwie gemerkt: Der weiß wovon er spricht. Der kennt das nicht nur aus Büchern.“
Wie wollen Sie denn auch Jahre später noch in Erinnerung bleiben?
Um ein guter Geschichtenerzähler zu werden, reicht es nicht, die Theorie zu kennen. Sie müssen üben. Zum Glück ist das einfach, denn Sie können direkt loslegen, im nächsten Gespräch. Erzählen Sie eine Geschichte statt nur Fakten. Das wird manchmal nicht klappen. Aber jedesmal werden Sie besser.
Besonderen Spaß macht das Üben spielerisch, z.B. mit Rory’s Story Cubes, einem bestechend einfachen Spiel. Es besteht aus neun Würfeln mit je 6 Symbolen. Nachdem ein Spieler eine Kombination dieser Symbole gewürfelt hat, muss er eine Geschichte erzählen, in der alle 9 Symbole vorkommen (am besten natürlich nach dem Prinzip der Heldenreise).
Das Spiel macht Spaß, passt in jede Tasche und funktioniert in jeder Altersgruppe: am Wochenende mit den Kindern, in der Kaffeepause mit den Kollegen, im Workshop mit den Teilnehmern und vieles mehr.
Natürlich lässt sich das Spiel im Prinzip auch ohne die Würfel spielen. Greifen Sie sich einfach neun Dinge auf Ihrem Schreibtisch. Oder tippen Sie zufällig neun Wörter aus einem Wörterbuch an. Wählen Sie je ein Wort aus den ersten neun Überschriften der Tageszeitung. Oder nehmen Sie die beworbenen Produkte der ersten neun Anzeigen, die Ihnen unter die Augen kommen.
Hauptsache Sie üben. Dann wird das schon mit dem Geschichtenerzählen.
Es ist 3 Uhr nachts, als das Telefon klingelt. Herr Prinz tastet schläfrig nach seinem Handy. Wer ruft denn um diese Zeit an? Sein Chef: „Sie müssen sofort kommen. Jemand ist in unser Computernetz eingedrungen.“
Was passiert als nächstes? In einer spannenden Geschichte ist das die entscheidende Frage, die uns zum Weiterlesen verleitet, Satz für Satz, Seite für Seite. Aber warum stellen wir sie überhaupt?
Die Antwort und wie sie Ihnen hilft, spannender zu präsentieren, finden Sie in meinem neuesten Handout Die Geschichte mit den Helden, das Sie ab sofort herunterladen können.
Das Spiel heißt nicht umsonst »Mensch ärgere dich nicht«. Es ärgert mich auch heute noch, wenn meine Figur direkt vor dem Ziel rausgeworfen wird – obwohl ich natürlich sehr genau weiß, dass es ja nur ein Spiel ist, zudem eines, bei dem sehr viel von Glück abhängt.
In Strategiespielen ist das anders. Die Mitspieler haben erheblich mehr Möglichkeiten, das Spielgeschehen – und damit ihre Siegchancen – zu beeinflussen. Dementsprechend stecken sie erheblich mehr Leidenschaft in Spiele wie »Die Siedler von Catan« und Konsorten.
Normalerweise spielt man solche Spiele mit Freunden. Doch davon ist im Spiel manchmal nicht viel zu spüren. Menschen verändern sich im Spiel. Und: obwohl sie sich nicht ärgern sollen, tun sie es manchmal doch. Ganz explosiv sogar. So dolle, dass den Mitspielern der Atem stockt. Jay Cheel hat daraus einen wunderbaren Film gemacht:
Es ist eine harmlose Szene. Eigentlich »viel zu banal für eine ernsthafte Doku«, wie Cheel selber sagt. Und doch macht gerade das den Reiz aus. Der Trick: es gibt einen Helden (Gerry) und wir tauchen ein in seine »heile Welt«, das Spiel mit seinen Freunden, so wie es immer ist. Dazu gehören auch die kleineren Reibereien, die es eigentlich in jedem Spiel gibt. Doch die Wucht von Gerrys Ausfall erleben wir erst im Kontrast dazu.
Das Video ist ein wunderbares Beispiel, wie alltägliche Situationen spannend erzählt werden können, wenn der Erzähler uns nur einen Grund gibt, mitzufühlen. Zugegeben: die tolle Kameraführung und die hervorragende Musik unterstützen die Wirkung des Films, wären aber wertlos ohne die Geschichte.
Eine sehr clevere Werbung von IKEA aus dem Jahr 2002:
Menschen sind in der Lage, Dinge zu personalisieren. Auf diese Weise können sie sich in Dinge hineinversetzen, die man vielleicht spontan als abwegig bezeichnen würde. Oder hätten Sie gedacht, dass Sie Mitgefühl mit einer alten Lampe haben könnten?
Sie sollten sich wirklich davor hüten zu behaupten, Ihr Thema könne man nicht emotional präsentieren.
Eine Geschichte ist dann spannend, wenn ich wissen will, wie es weiter geht. Wenn ich’s schon weiß, ist es nicht mehr spannend. Bei Ihrer Präsentation weiß ich es. Also ist sie nicht spannend.
Warum ich es weiß? Was soll denn schon groß kommen nach der Titelfolie, der Agenda und dem Foto des hässlichen Firmengebäudes? Wecken Sie mich auf, wenn’s doch noch spannend wird.
Ach, Sie meinen, Geschichten seien auch oft gleich aufgebaut und dennoch spannend. Stimmt, aber dann will ich wissen, ob Jakob seine Krankheit besiegt oder ob Susanne dem Kidnapper entkommt. Die Geschichte stellt mir einen Helden samt seiner Umwelt vor und liefert mir einen Grund dafür, dass mir sein Schicksal nicht egal ist.
Und Ihre Präsentation? Welchem Helden kann ich da die Daumen drücken? Ach, es gibt keinen? Weil es ja ein technisches Thema sei. Ich müsse mich schon für das Thema interessieren.
Einverstanden, wenn ich eine Information unbedingt haben möchte, dulde ich auch schon einmal ein wenig Langeweile. Aber soll ich Ihnen etwas sagen: Ihre Präsentation interessiert mich nicht. Weil Sie nur erzählen, was Sie interessiert. Und das ist mir reichlich egal.
Wenn Sie wollen, dass ich zuhöre, dann geben Sie mir einen Grund. Sorgen Sie dafür, dass es mich interessiert. Was ist Ihre Idee und wieso sollte Sie mir nicht egal sein? Erklären Sie mir die Herausforderung und ich höre gespannt zu, wie Sie sie lösen. (Und nein, es reicht nicht, über eine Folie „Motivation“ zu schreiben und irgendein abstraktes Zeug zu erzählen.)
Der amerikanische Autor Kurt Vonnegut erklärt in diesem kurzen Video das Bauprinzip erfolgreicher Stories mit einem kräftigen Augenzwinkern:
Das Video lohnt nicht nur inhaltlich, sondern zeigt auch, wie man selbst trockene Themen humorvoll ironisch vortragen kann. Ironie entsteht durch überspitzte Pointierung. Wichtigste Voraussetzung für erfolgreiche ironische Pointen ist demnach, dass man weiß, wovon man spricht. Denn nur dann kann man die Pointen auf den Punkt bringen, ganz so wie es Vonnegut mit seinem Koordinatensystem für Spannungsbögen tut.