SEARCH

Search

Explore

Blog
Podcast
Free Live Event
Self-Assessment
Manifesto
Book

Work with me

Connect

SUBSCRIBE

Search
Close this search box.

Tomaten auf den Augen

Ich muss zugeben, mein Ausblick ist wirklich nicht schlecht. Aus dem 23. Stock habe ich einen wunderschönen Blick auf den Park und den Rhein, besonders jetzt im Frühling, wo alles grünt und blüht. Als mich neulich eine Besucherin fragte, wie ich mich bei dem schönen Ausblick denn überhaupt auf die Arbeit konzentrieren könne, habe ich erst gelächelt. Und dann gedacht: Ja, warum eigentlich?

Wieso nehmen wir Neues eher wahr als Altbekanntes?

Der Grund dafür liegt in unserem Gehirn. Genauer gesagt im Hippocampus, unserem Neuheitsdetektor. Wenn wir etwas Neues, oder etwas Ungewöhnliches sehen, schüttet der Hippocampus Dopamin aus, was wiederum zu einem besseren Abspeichern im Gedächtnis führt. Wenn wir uns an etwas gewöhnt haben, bleibt dieses “Doping” aber aus. Deshalb dringt das, woran wir uns gewöhnt haben, manchmal nicht mehr in unsere Wahrnehmung vor.

Was uns im Allgemeinen vor einer Reizüberflutung schützt, kann aber auch dazu führen, dass wir die Bäume vor lauter Wald nicht mehr sehen. Das kennt jeder, der schon mal eine akademische Abschlussarbeit oder einen ausführlicheren Bericht geschrieben hat: Wir haben mit größter Sorgfalt geschrieben, korrekturgelesen, Fehler beseitigt, noch mal gelesen und noch mal gelesen. Liegt das Werk dann gedruckt vor uns, springt er sofort ins Auge – dieser heimtückische letzte Tippfehler. Wir hatten den Text so oft gelesen, dass wir ihn einfach nicht mehr gesehen haben.

Egal ob Text oder Präsentation, das Problem ist: Unser Publikum sieht die Präsentation nicht mit unserem Gewohnheitsfilter, sondern zum ersten Mal. Und deshalb fallen ihm auch die Schnitzer und Fehler auf, die wir nicht mehr wahrnehmen.

Schalten Sie den Autopiloten aus

Um Ihren Gewohnheitsfilter zu umgehen, müssen Sie Ihr Gehirn denken lassen, Sie lesen den Text oder sehen die Präsentation zum ersten Mal. Hier sind drei Tipps, wie Sie Ihre frischen Augen zurückgewinnen:

1. Schlafen Sie eine Nacht darüber

Manchmal reicht es schon, den Vortrag oder den Text für ein paar Tage beiseite zu legen. Dann können Sie die nötige Distanz zurückgewinnen, um in die Rolle eines unvoreingenommenen Betrachters zu schlüpfen.

2. Machen Sie einen Tapetenwechsel

Manchmal hilft auch ein visueller Wechsel oder ein Umgebungswechsel. Wenn ich beispielsweise merke, dass ich einen Text im Texteditor nicht mehr unvoreingenommen lesen kann, setze ich ihn ins Layout oder drucke ihn aus. Wenn ich sehe, wie mein Text final dargestellt werden wird, fällt es mir leichter, mich in die Rolle eines neuen Lesers zu versetzen.

Gehen Sie die Präsentation zum Beispiel vor Ihrem Kollegen im Nachbarbüro auf seinem PC durch oder klicken Sie sich einmal im Vortragsraum durch Ihre Folien hindurch. Sie können die fertige Präsentation inklusive Folien und Sprechtext oder Stichpunkte auch einmal ausdrucken, um sie in der Mittagspause entspannt auf der Parkbank zu lesen. Dabei fallen Ihnen garantiert kleine Fehler oder Unstimmigkeiten auf, die Sie vorher nicht mehr sehen konnten.

3. Fragen Sie nach Hilfe

Es schadet außerdem nie, einen Außenstehenden – einen Kollegen, einen Freund, Ihren Partner – Ihren Text oder Ihre Präsentation einmal probelesen zu lassen.

[Foto: CC-BY Flickr/Clemens v. Vogelsang]

Verwandte Artikel

Neue Wege
In Deckung vor Tante Gerda
Wie man ein olympisches Finale gewinnt
Der Publikumsversteher
Mein Sohn ist ein Musiker

Neue Wege

Routine langweilt. Jeder, der schon einmal über Stunden die selben Handgriffe immer und immer wieder durchführen musste, weiß das. Hohe Wissenschaft bedarf es dazu eigentlich nicht.

Und doch, wenn wir anderen etwas erklären, halten wir uns selbst nicht daran und gehen immer dieselben Wege. Vorträge verwenden grundsätzlich PowerPoint, haben einen immer gleichen Aufbau, jede einzelne Folie enthält Stichpunktaufzählungen im Corporate Design usw. Abwechslung Fehlanzeige.

Wir tun gerade so, als sei jedes Thema gleich, als könne man alles in das immer wieder selbe Schema packen, und denken, es sei immer derselbe gesicherte Weg, der uns und unsere Zuhörer zum Ziel führt.

Wir brauchen Abwechslung, damit wir Spaß an etwas haben, und wir brauchen Abwechslung, damit unser Gehirn Informationen besser verarbeiten kann. Daher hilft es auch in Vorträgen, die bekannten Wege zu verlassen und, wenigstens ab und an, die steinigen, holprigen und bisweilen mutigen Wege zu suchen.

Wer das nicht wahrhaben mag, für den erklärt der Neurobiologe Martin Korte, Autor des Buches Wie Kinder heute lernen, in der aktuellen Ausgabe von Geo Wissen aus wissenschaftlicher Sicht die Wirkung von Überraschungen:

Biochemisch gesprochen wird dann in zwei Hirnregionen der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet, der die Neugier weckt und die Konzentration steigert. Das wiederum ermöglicht es Hirnzellen, sich Lernerfahrungen besonders gut einzuprägen.

Verwandte Artikel
Wie ein toter Schmetterling einen Hasen zu Rambo macht
Große Zahlen begreifbar machen
Bobby McFerrin und die perfekte Visualisierung
Schwerpunkt Kreativität

Buchempfehlung: Gehirn & Erfolg von John Medina

Buchcover zu John Medinas

John Medinas lesenswertes Buch Brain Rules gibt es endlich auf Deutsch unter dem Titel Gehirn & Erfolg. Der Molekularbiologe übersetzt darin moderne Erkenntnisse über das Gehirn in Alltagssprache und erklärt ihre Bedeutung für unser tägliches Berufs- und Privatleben. Ich empfehle es Ihnen aus drei Gründen:

1. Auf den Boden der Tatsachen

Das Buch hält sich strikt an die Erkenntnisse der Hirnforschung. Mit Halbwissen der Art “90% unseres Gehirns sind ungenutzt” oder Mythen über die linke und rechte Hirnhälfte hält sich das Buch nicht auf. Stattdessen erklärt es auf solidem wissenschaftlichem Fundament, was wir über das Gehirn einigermaßen fundiert wissen (oder vermuten) und setzt es in Bezug zu unserem Alltagsleben. Dabei verschweigt Medina nicht die Grenzen der Wissenschaft:

Man kann mit Fug und Recht skeptisch gegenüber der Behauptung sein, die Hirnforschung könne uns eindeutig Auskunft daüber geben, wie wir bessere Lehrer, Eltern, Geschäftsführer oder Studenten werden.

Patentrezepte liefert er also nicht. Stattdessen leitet er aus dem (wenigen), was wir wissen, Handlungsempfehlungen ab, die dem Potential unseres Gehirns aus heutiger Sicht besser gerecht werden. Das ist gelegentlich nahe am gesunden Menschenverstand, z.B. dass Bewegung gut tut oder dass uns langweilige Dinge (wie z.B. viele PowerPoint-Präsentationen) nicht interessieren, aber solide begründet und von Halbwissen befreit.

2. In die Sphären der Wissenschaft

Pasted Graphic

Das Buch ist daneben aber ein hervorragendes Anschauungsmaterial, wie man wissenschaftlich anspruchsvolles Material allgemeinverständlich und unterhaltsam erklären kann. An keiner Stelle gibt es einfach nur “trockenes Wissen”. Medina versucht vielmehr, Wissen anschaulich zu machen, indem er immer wieder passende Geschichten findet, überraschende Erkenntnisse als Spannungsmoment einsetzt und – natürlich – eine möglichst einfache Sprache verwendet.

Dennoch fehlen die harten wissenschaftlichen Fakten nicht. Auf der begleitenden Webseite Brain Rules liefert Medina tiefergehende Erklärungen und sehr ausführliche Quellenangaben nach, eine Methode, die ich selbst oft schon zur Trennung von Vortrag und Handout empfohlen habe.

3. Praktische Präsentationstipps

Nicht zuletzt enthält das Buch einige handfeste Tipps zum Thema Präsentation, die natürlich ebenso sorgfältig begründet werden. Die vielleicht wichtigste Botschaft lautet dabei: Das Sehen übertrifft alle anderen Sinne. Als unmittelbare Schlussfolgerung folgt daraus, dass Textwüsten auf Folien fast immer eine schlechte Idee sind. Weitere Präsentationstipps aus dem Buch fassen diese Folien von Garr Reynolds sehr schön zusammen:

Gehirn & Erfolg ist sehr gut übersetzt, Freunde des englischen Originals erhalten aber bei der gebundenen Auflage eine Begleit-DVD (ohne die man das Buch aber genausogut versteht).

Links zu dem Buch
John Medina@Google stellt sein Buch in einem Vortrag bei Google vor
Die begleitende Webseite Brain Rules mit vielen ergänzenden Informationen
Der Blog zum Buch
John Medinas Homepage
Die 1-7-7-Regel für PowerPoint-Folien (mit Medina-Zitat)

Wie ein toter Schmetterling einen dicken Hasen zu Rambo macht

Big Buck Bunny - Hase bewundert Schmetterling

Es ist ein herrlicher Sonnentag. Ein etwas zu dick geratener Hase genießt den idyllischen Morgen und erfreut sich an dem Flügelschlag eines wunderschönen Schmetterlings. Der Schmetterling tanzt und wiegt sich in den warmen Sonnenstrahlen mit entzückender Leichtigkeit, bis … er von einem herunterfallenden Apfel erschlagen wird.

Big Buck Bunny - Hase als Rambo

So beginnt der Animationsfilm Big Buck Bunny, der als öffentliches Gemeinschaftsprojekt im Internet entstanden ist. Was folgt ist ein zehnminütiges Animationsfeuerwerk, auf dessen Höhepunkt der dicke Hase als Rambo drei fiese Querulanten das Fürchten lehrt. Der Film lebt wie viele Animationsfilme von überraschenden Wendungen und unvorhergesehenen Ereignissen.

Was die Macher von Animationsfilmen instinktiv im Auftrag der Komik tun, ist auch für Präsentationen eine wirkungsvolle Strategie. Überraschungen unterstützen die Einprägsamkeit einer Botschaft, denn unser Gehirn ist darauf programmiert, auf neue Ereignisse besonders zu reagieren.

Bekannte Situationen dringen häufig gar nicht in unser Bewusstsein: können Sie sich z.B. noch daran erinnern, was Ihnen heute morgen auf dem Weg zur Arbeit alles begegnet ist? Vielleicht ein bisschen. Und was war gestern? Oder gar letzte Woche?

Big Buck Bunny - Hase auf der Flucht

Wären Sie allerdings von einem dicken menschengroßen Hasen im Galopp überholt worden, könnten Sie sich mit Sicherheit daran erinnern – und zwar nicht nur heute, sondern auch noch in vielen Wochen. Interessant dabei ist, dass Sie sich nicht nur an den galoppierenden Hasen erinnern würden, sondern höchstwahrscheinlich auch noch an die begleitenden Umstände, z.B. wie das Wetter war.

Gehirn

Daniela Fenker und Hartmut Schütze von der Universität Magdeburg erläutern in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift Gehirn-und-Geist, woran das liegt. Vereinfacht gesagt veranlasst der Hippocampus, das ist gewissermaßen der „Neuheitsdetektor“ des Gehirns, die vermehrte Ausschüttung von Dopamin. Das wiederum erleichtert das langfristige Abspeichern von Informationen im Gedächtnis, weil es die Verbindung zwischen den beteiligten Synapsen verstärkt. Durch Überraschungen wird das Gedächtnis also sprichwörtlich gedopt.

Für alle Lehrenden haben die beiden Autoren denn auch einen Rat parat: Besprechen Sie den neuen Stoff zuerst und wiederholen Sie erst danach den alten.

Gedanken sichtbar machen

Cover des TEDBigViz-Buchs

Ende Februar fand die diesjährige TED-Konferenz statt. Diesmal stellten die Veranstalter u.a. die Fragen “Wer sind wir?”, “Was ist Leben?” und “Wie können wir es wagen, optimistisch zu sein?”. Die ersten Vorträge wurden bereits auf der Webseite veröffentlicht. Sehr sehenswert ist beispielsweise der Vortrag von Jill Bolte Taylor, einer amerikanischen Hirnforscherin, die selbst einen Hirnschlag erlitten hat, und ihre Erlebnisse in einem mitreißenden Vortrag schildert (s.u.).

Einen Blick wert ist in jedem Fall auch das eBook TEDBigViz, das in diesem Jahr während der Konferenz als Experiment entstanden ist. Die beiden Designer David Sibbet und Kevin Richards zeichneten live ihre spontanen Assoziationen zu den Vorträgen an einem Multitouch-Screen auf. Das Ergebnis ist nicht nur hübsch anzusehen, sondern auch ein schönes Beispiel dafür, wie Ideen grafisch auf das Wesentliche reduziert werden können. Die PDF-Datei kann kostenlos heruntergeladen werden.

Zum Abschluss noch das versprochene Video von Jill Bolte Taylors Vortrag, der übrigens auch ein hervorragendes Beispiel dafür ist, wie fasziniernd es sein kann, reale Utensilien als Anschauungsmaterial zu verwenden (anstatt immer nur Abbildungen in PowerPoint-Folien zu verwenden).

Spread the Word

Dr. Michael Gerharz

Dr. Michael Gerharz